Wie wird man eigentlich Comedian, Anke Engelke?

Written by on 27/04/2004 in FAZ with 0 Comments

Sie ist spätestens seit dem Erfolg der „Wochenshow“ Deutschlands bekannteste Komikerin: Ab Mai präsentiert die 38jährige Anke Engelke eine eigene Late-Night-Show bei Sat.1 – auf dem mit hohen Erwartungen verbundenen Ex-Sendeplatz von Harald Schmidt. Das Telefongespräch, das diesem Protokoll zugrunde liegt, fand auf dem Weg zur Kostümprobe für die nächste Folge „Blind Date“ statt, der Grimme-Preis-gekrönten Improvisationsreihe mit Olli Dittrich.

„Hätten mir  meine Idole von ABBA früher empfohlen, zum Lokalfunk zu gehen – ich hätte gekotzt.“

„Der erste Schritt war der Kinderchor „Die Sonntagskinder“, in dem ich gesungen habe, nachdem ich mit meinen Eltern von meinem Geburtsort Montreal in die Nähe von Köln gezogen bin. Der Chorleiter hatte gute Kontakte zur Plattenfirma EMI Electrola, und unser Chor hat Werbejingles und andere Liedchen eingesungen, oft auch Background für Leute wie Howard Carpendale und Udo Jürgens. Im Lauf der Zeit haben die Leute gemerkt, daß ich relativ vorlaut und frech sein konnte, und als ich zwölf war, gab mir Radio Luxemburg dann schließlich mit einer monatlichen Sendung die Möglichkeit, Hörfunk zu machen.

Das muß man sich heute als völlig verspielt vorstellen: Ich hatte keine Ahnung, wie man Radio macht oder was ein Interview ist, und hatte keine Berührungsängste, was Prominente angeht – wäre ich heute jung, wäre das vermutlich anders. Aber auch damals habe ich natürlich irgendwann mit meiner Flapsigkeit kokettiert; Kinder merken ja schnell, wie sie wirken. Ich fürchte, ich kam dadurch in eine sehr altkluge und doofe Phase.“

Anke Engelke muß jetzt einparken, unterbricht das Gespräch: „Entschuldigung … Oh, das Parken klappt gerade überhaupt nicht … ausgerechnet auf so einer Einkaufsstraße … Die gucken schon alle … Jetzt winken mich auch noch zwei Omas ein, ich werd‘ wahnsinnig … (ruft) Jaja, ist gut! Geht WEITER!“ Kurz darauf schaltet sie wieder in den Interviewmodus:

„1985, da war ich also gerade 20, gab es dann eine Anfrage vom Südwestfunk, ob ich dort moderieren will. Zu dem Gespräch bin ich damals unfaßbar selbstbewußt hingelatscht – und habe es total in den Sand gesetzt und danach meine Sendungen nachts unter Ausschluß der Öffentlichkeit gemacht. Aber im Nachhinein war die Zeit dort auch wertvoll, weil ich das Geschäft wirklich von Grund auf gelernt habe.

Aber obwohl alles, was ich damals gemacht habe, schon eher locker und leicht war: Die wirkliche Comedy ging eigentlich erst mit dem Gagtory-Ensemble von SWF3 los. Mittlerweile finde ich Radio-Comedy eher schlimm, aber damals hat es großen Spaß gemacht mit der Gagtory durch den Südwesten Deutschlands zu touren. Bei diesen Auftritten habe ich letztlich meine Bühnenerfahrung gesammelt – genauso wie mit der Band Fred Kellner und die famosen Soul Sisters‘, in der ich zusammen mit meiner Schwester singe.

Ralf Günther, einer der drei Köpfe der Produktionsfirma Brainpool, war auch in dieser Band und plante damals gerade die Wochenshow. Ich glaube ja, er hat mich nur für den Job der Nachrichtentante besetzt, weil er wußte, daß ich durch meine Radiozeit die ganzen Politikernamen und ausländischen Städte korrekt aussprechen konnte. Wenn ich heute mit Ingolf Lück oder Bastian Pastewka spreche, genieren wir uns immer ganz fürchterlich für die ersten Sendungen. Das war zwar für damalige Zeiten alles sehr innovativ, was wir da gemacht haben, aber eben noch kein bißchen rund und ohne jedes Gesicht.“

Jetzt bekommt Anke Engelke eine SMS, die sie zur Kostümprobe bittet. „Ich lungere hier ja so auf der Straße herum“, erklärt sie, „und warte, bis ich dran bin. Ich rufe in einer halben Stunde wieder an.“ Schon hat sie aufgelegt.

„2000 bin ich bei der Wochenshow ausgestiegen und habe Anke gestartet, eine Serie über das Talkshow-Geschäft, bei der ganz anders gearbeitet wurde, als bei Sketch-Comedy-Formaten wie der Wochenshow. Bei Anke‘ gab es den Autor Ralf Husmann, dem ich blind vertraute, ich mußte einfach meine Drehbücher lernen, wußte, wer diese Frau ist – fertig. Bei Ladykracher, das wir Anfang 2002 zum ersten Mal gemacht haben, ist die Arbeitsweise wieder ganz anders: Da gibt es ja unzählige unterschiedliche Rollen und Charaktere, die ich in jeder einzelnen Folge darstelle. Auch bei Ladykracher schreibe ich zwar nicht mit – das liegt mir einfach nicht – aber die Themen entstehen oft gemeinsam, wir plaudern über das Zusammenleben von Frauen und Männern und stellen am Ende auch die Auswahl gemeinsam zusammen. Ich finde es schwer zu sagen, was an mir lustig ist. Es gibt ja Komiker, die haben sogenannte ,funny bones‘, bei denen ist einfach alles komisch, was sie tun. Bei mir dauert es meistens eine ganze Weile, bis die Leute lachen, wenn ich irgendwo auftauche. Leute wie Mirko Nontschew oder Bastian Pastewka sind anders, da wälzen sich die Leute mehr oder weniger sofort auf dem Boden. Ich kann mich in manchen Situationen durchaus selbst lustig finden, lache aber auch nicht öfter über mich selbst als alle anderen Menschen. Ich trage auch kein kleines Büchlein bei mir, in das ich ständig Beobachtungen oder Pointen reinschreibe, weil mein ganzes Leben ein einziges Gagfeuerwerk wäre.“

„Eine letzte Unterbrechung“, kündigt Anke Engelke an dieser Stelle an. „Ich muß kurz meine Tochter abholen.“ Als sie zurückruft, hört man, wie sie schnell über die Musikauswahl verhandelt, mit der sich die Kleine die Zeit vertreiben soll, dann ist Anke Engelke wieder konzentriert bei der Sache:

„Wichtig für guten Humor ist sicherlich das Zusammenspiel, und im Grunde ist es Schicksal, wenn man Leute findet, mit denen man gut harmoniert. Olli Dittrich, mit dem ich Blind Date mache, habe ich als Konkurrenten kennengelernt. Da waren wir bei verschiedenen Sendern und haben nie miteinander geredet. Aber irgendwann habe ich ihn dann am Flughafen gesehen, und ich habe ihn angesprochen. Auf das ziemlich spirituelle Gespräch, das sich sehr schnell entwickelte, hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust, aber je mehr ich merkte, was er da von sich preisgab und je mehr er merkte, daß ich ihm ernsthaft zuhörte, um so größer wurde das Vertrauen zwischen uns. Gerade eine Sendung wie Blind Date, wo wir nicht wissen, in welcher Rolle uns der andere gleich gegenübertritt, und von Anfang bis Ende improvisieren, funktioniert nur, wenn man einander blind vertraut.

Wie macht man also Comedy zum Beruf? Schwer zu sagen. Ich bekomme oft Post von kleinen Mädchen, die mir schreiben, sie hätten neulich auf dem Geburtstag ihrer Freundin lustige Witze erzählt. Die fragen dann, ob sie jetzt vielleicht bei Ladykracher anfangen könnten. Ich antworte da immer sehr pädagogisch und empfehle ihnen, erst einmal zur Schülerzeitung zu gehen oder meinetwegen zum Krankenhausfunk. Hauptsache, man kann sich ausprobieren, kann mal seine eigene Stimme hören und so weiter. Aber solche Ratschläge kommen wohl nicht gut an. Wenn ich in dem Alter meinen damaligen Idolen von Abba geschrieben hätte, und die hätten mich erst mal in den Lokalfunk geschickt – ich hätte wahrscheinlich gekotzt.“

Protokoll: Christoph Koch
Erschienen in: FAZ Hochschulanzeiger
Foto: Sat.1


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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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