Wie wird man eigentlich … Hörspielsprecher, Oliver Rohrbeck?

Written by on 27/10/2004 in FAZ with 0 Comments

Sein Gesicht kennt fast niemand, seine Stimme beinahe jeder: Oliver Rohrbeck, 37, spricht den Hörspieldetektiv Justus Jonas, der in der Jugendserie „Die Drei ???“ schon über 100 Kriminalfälle gelöst hat. Im Fernsehen ist er als Richard Fish in „Ally McBeal“ zu hören, im Kino als die deutsche Stimme des Schauspielers Ben Stiller. Insgesamt hat er schon Hunderten von Rollen seine Stimme geliehen.

 

 

Angefangen hat es mit dem Synchronisieren von Filmen. Mit sieben Jahren habe ich den Walt-Disney-Film „Pinocchio“ synchronisiert, zusammen mit Harald Juhnke als Kater und Georg Thomalla als Heuschrecke Ich konnte damals noch gar nicht richtig lesen und Juhnke hat mich auf einen Barhocker gesetzt und mir jeweils meinen nächsten Satz vorgelesen. Dann hat er gesagt: „Paß up! Den Satz, den ick dir jetzt jesacht hab, den sachste, wenn ick dir tippe“. Im richtigen Moment hat er mich angetippt, ich hab hochgeguckt zur Leinwand und meinen Text gesprochen. Neben Filmen habe ich auch Fernsehserien synchronisiert, zum Beispiel „Die Fünf Freunde“. Damals war ich ungefähr elf und nachdem wir auch die Hörspiele zur Serie aufgenommen hatten, fragte die EUROPA-Regisseurin Heikedine Körting, ob ich Lust hätte, eine ganz neue Hörspielserie mitzumachen. Es handelte sich um „Die Drei ???“, und ich habe zugesagt.

Die Aufnahmen waren in Hamburg und da es damals ja noch die Mauer gab, wurde ich dafür extra aus Berlin eingeflogen. Das fand ich natürlich wahnsinnig spannend. Das erste Mal war meine Mutter noch dabei, aber innerhalb kurzer Zeit war das Reisen dann ganz normal. Alleine ging es mit dem Taxi zum Flughafen, die Stewardessen von PanAm kannten mich schon, die verwöhnten uns alleine reisenden Kinder maßlos und stopften uns mit Salzstangen und Süßigkeiten voll.

25 Jahre ist die erste Folge der „Drei ???“ mittlerweile alt, ich bin inzwischen 37, und keiner von uns hätte damals im Traum daran gedacht, daß diese Serie so lange Erfolg haben würde. Als ich erfuhr, daß ich mit Justus Jonas einen pummeligen, altklugen Jungen sprechen sollte, war ich nicht besonders begeistert, aber im Lauf der Jahre haben wir uns aneinander gewöhnt. Anfangs bekamen meine beiden Sprecherkollegen Jens und Andreas jeweils genau die umgekehrten Rollen zugewiesen, die sie heute sprechen, und das funktionierte überhaupt nicht. Nach etwa einer Stunde ließ die Regisseurin die beiden ihre Rollen tauschen, und als Jens den ängstlichen Peter Shaw sprach, klappte es plötzlich viel besser. Bis auf die Tatsache, daß Andreas, der als Bob Andrews jetzt für „Recherchen und Archiv“ zuständig war, anfangs immer „Rächerchen“ sagte.

Es gab aber auch eine Zeit, da hatte ich eher im Sinn, Schauspieler zu werden. Mit zwölf habe ich den Ariel in Shakespeares „Sturm“ am Schillertheater gespielt, das war schon eine große Sache und machte mir Spaß. Die Schule hab ich dann gar nicht mehr zu Ende gemacht, sondern bin mit 17 direkt auf eine Schauspielschule. Mit 19 habe ich angefangen regelmäßig Theater zu spielen, aber ich habe immer nebenher synchronisiert. Da habe ich mich immer so wohl gefühlt und habe das so gerne gemacht, daß ich mich mit 26 entschieden habe, ganz hinter die Kulissen zu gehen und gar nicht mehr aufzutreten. Als Schauspieler ist man ständig mit seiner gesamten Person dem subjektiven Urteil anderer ausgesetzt. In meiner heutigen Situation hinter den Kulissen, wo ich trotzdem kreativ arbeiten kann, fühle ich mich deutlich wohler.

Ich glaube nicht, daß ich eine besonders ungewöhnliche Stimme habe, wichtiger ist, glaube ich, daß ich sie sehr stark verändern kann. Wenn ich Justus Jonas für „die Drei ???“-Kassetten spreche, muß ich eben wie ein 17-jähriger Junge klingen und als Richard Fish in „Ally McBeal“ wie ein Anwalt Mitte Dreißig. Wenn wir „Drei ???“-Hörspiele aufzunehmen, sprechen wir manchmal an einem Tag zwei komplette Folgen ein. Da fehlen zwar noch Geräusche, Effekte und Schnitt, aber es bedeutet dennoch, daß wir gut vorbereitet ankommen müssen. Aber dadurch, daß wir drei uns mittlerweile auch so gut kennen, legen wir richtig los und spielen Sachen in die Texte rein. Wir zappeln oft wie verrückt herum und die anderen Sprecher, die das gar nicht gewohnt sind, sind manchmal ziemlich platt.

Es passiert mir schon sehr häufig, daß Menschen mich an meiner Stimme erkennen.

Ich habe mittlerweile schon so viele Kino-, Fernseh- und Hörspielrollen gesprochen, daß ich mich gar nicht mehr an alle erinnern kann. Aber einige bleiben einem doch im Gedächtnis. „Grisu der kleine Drache“ hat mich zum Beispiel lange verfolgt, das haben sehr viele gehört und mich dann als „Grisu“ angesprochen. Bei Justus Jonas wußte anfangs keiner, daß das meine zentrale Rolle werden würde, das hat sich ja auch erst
in den letzten Jahren so entwickelt. Pinocchio war eine wichtige Rolle, aber auch Filme wie „E.T.“ , „Die Outsiders“, „Breakfast Club“ und „Der Club der toten Dichter“. In „Karlson vom Dach“ habe ich den kleinen Lillebror gesprochen, da dürfte ich auch so sieben oder acht gewesen sein. Daran erinnern sich auch noch viele.

Es passiert mir schon sehr häufig, daß Menschen mich an meiner Stimme erkennen. Ob das bei der Telefonauskunft ist oder in der Wäscherei, immer häufiger stutzen die Leute und sagen „Könnten Sie bitte noch mal was sagen?“ Im Kaufhaus habe ich einmal nach Unterhemden gesucht und einen Verkäufer gefragt, welche Größe ich bräuchte. Der guckte mich nur an, lauschte und sagte dann „Sie brauchen Größe 5, Herr Rohrbeck“. Der wußte gar nicht, wie ich aussah, er erkannte nur meine Stimme und hatte meinen Namen in den Kassettenhüllen der Hörspiele gelesen.

Oft wollen die Leute dann auch bestimmte Lieblingssätze eines Charakters hören, den ich spreche und manchmal tue ich ihnen den Gefallen. Nur Handymailboxen bespreche ich nicht mehr. Wer unbedingt Justus Jonas auf seiner Mailbox haben möchte, kann sich im Internet unter handy.de ein paar Sprüche herunterladen. Früher habe ich manchen Fans noch persönlich etwas auf die Mailbox gesprochen, aber das nimmt irgendwann kein Ende mehr, und meine Stimme ist ja auch so etwas wie mein Kapital, mein Arbeitsgerät.

Es macht mich auf jeden Fall stolz, wenn mich Menschen ansprechen und mir erzählen, daß wir ihre ganze Kindheit begleitet haben. Wenn mir jemand erzählt „Ich schlafe immer mit euch ein“ – dann finde ich das gar nicht schlimm, sondern sehe das als Auszeichnung. Daß wir Vertrauen geschaffen haben und die Leute sich mit uns ab und zu ihre Kindheit zurückholen – das finde ich toll.

Die Tournee, die wir vor kurzem gemacht haben, hat gezeigt, wie eng die Bindung zu den Hörspielfans ist: Egal, wo wir hinkamen, wurden wir frenetisch gefeiert, da haben sich 20 Jahre angestaute Begeisterung entladen. Im Audimax in Hamburg waren zum Beispiel 1.700 Leute, die haben zehn Minuten lang nicht mehr aufgehört zu klatschen. Das war ein einmaliger Moment.

Protokoll: Christoph Koch
Erschienen in: FAZ Hochschulanzeiger
Foto: Nina Mallmann


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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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