Jens Friebe: „Sofort brennen!“

Written by on 12/09/2005 in jetzt.de, Süddeutsche with 1 Comment

Wie der Indiepopstar Jens Friebe einmal fast ein Musikmagazin ruiniert hätte

Der Berliner Songwriter Jens Friebe hat gerade sein zweites Album „In Hypnose“ veröffentlicht. Er gilt vielen als eine Art Lichtgestalt der deutschen Popkultur.

Du hast eine Weile als Musikjournalist gearbeitet und sogar einen Song darüber. geschrieben – „10 000 Zeichen“. Wie waren deine Erfahrungen?
Mir ist das Schreiben anfangs sehr schwer gefallen und ich habe wahnsinnig lang für einen Artikel gebraucht. Das zu überwinden, war eine gute Erfahrung.

Was hat dich genervt?
Was mich sehr frustriert hat, war die Tatsache, dass sich ein Artikel, wenn ich total begeistert war, nachher trotzdem immer noch genauso las wie einer über eine mittelgute Band. Man hat alle Superlative schon verbraucht und die Steigerung nach oben ist dann wie vernagelt.

Immerhin hast du es geschafft, das Musikmagazin Intro kurzzeitig in ernste Schwierigkeiten zu bringen . . .
Ich habe eine Gorillaz-Rezension mit dem Satz „Sofort brennen!“ beendet, worauf die Musikindustrie geschlossen auf die Barrikaden gegangen ist und zeitweise alle Anzeigen storniert hat. Da lagen die Nerven extrem blank. Ich hatte das unter dem Pseudonym Samuel Zöllner geschrieben. Gar nicht wegen des Satzes, sondern weil ich die Rezension insgesamt nicht so toll fand. Der Intro-Herausgeber fragte in der Redaktion an, ob man den denn nicht rauswerfen könnte.

Du schreibst immer noch eine Ausgehkolumne für die taz. Auch in deinen Liedern kommen Nachtleben und Exzess oft vor – warum singen deutsche Bands darüber so selten?
Da steckt wohl eine Art Opposition gegen das stumpfe Spaßhaben dahinter. So eine Adorno-Haltung, Fun als Stahlbad und so weiter. Mir haben immer Leute gefallen, die gezeigt haben, dass Glam und Cleverness durchaus zusammengehen. Leute wie Rocko Schamoni oder die Goldenen Zitronen.

Bist du bekennender Hedonist?
Es geht ja nicht darum, in der Arbeitswoche perfekt zu funktionieren und am Wochenende die Sau rauszulassen. Es geht eher um einen Bohémian-Ansatz, bei dem sich Diskussion, Ausgehen, Kunst und Leben verbinden. Aber natürlich singe ich auch über Red Bull und Ecstasy, ohne das zu verdammen. Man darf nicht so tun, als würden die Leute, die am Wochenende feiern gehen, sofort eine Revolution anzetteln, wenn sie diese Ablenkung nicht hätten.

Mit dem Lied „Theke mit den Toten“ über Vegetarismus forderst du aber auch besonnenes Verhalten ein.
Es ist ja erstmal nichts Besonderes, zu versuchen, sich anständig zu verhalten. Beim Fleischverzicht hat man auch als Einzelner ein Mittel, auf einer ganz alltäglichen Basis die Welt zu verbessern.

Aber wie gehen Hedonismus – also ein zügel- und verantwortungsloses Konzept – mit so einer Haltung zusammen?
Mein Hedonismus ist ein spielerischer. Keiner, der sinnlosen Prachtentfaltung mit sinnlosem, klassenfeindlichem Luxus wie teuren Autos und Champagner. Ich will, dass es eher ein Low-Budget-Hedonismus ist, eine Abkehr von bürgerlichen Plänen wie Kinder kriegen und oder die Wohnung schön einrichten.

Wie oft wurde dir schon eine Ähnlichkeit zu Gunter Sachs bescheinigt?
Das habe ich tatsächlich schon mal gehört. Aber Leute, die ihre Prominenz und Strahlkraft dadurch gewinnen, dass sie reich sind, interessieren mich als Vorbilder nicht.

Brauchen wir wieder Playboys?
Nein, denn es sind ja zwei problematische Dinge damit verbunden: Um Playboy zu sein, muss man reich und sexistisch sein. Deshalb kann man als Idee damit spielen. Als reales Verhaltensmuster muss man ihm nicht nachtrauern. Luxus und entfesselter Lebensstil haben generell an Ausstrahlung verloren: Jeder kann fliegen, jeder kann Skifahren, jeder kann Kokain nehmen. Diesen Olymp der Dekadenz und Perversion, den man von unten bestaunt, gibt es nicht mehr.

Viele Leute halten dich für schwul. Steckt hinter dieser geschlechtlichen Zweideutigkeit ein Konzept?
Nein, das Affektierte und Androgyne macht mir in erster Linie einfach Spaß, gleichzeitig fehlt es mir in der deutschen Musik. Ich mache es also auch, weil ich es selbst sehen möchte.

Sprechen dich die Leute oft drauf an?
Nach Konzerten sehr oft. Dabei ist es auf der Bühne überhaupt nicht geplant. Ich mag es einfach, wenn was los ist, wenn es knallt und wenn es bunt ist. Wenn etwas Zärtliches rüberkommt. Das zu deklarieren möchte ich mir als heterosexueller Mann auch herausnehmen dürfen.

Nervt es dann, wenn diese Position durch so etwas wie den „metrosexuellen Mann“ verwässert wird?
Was mich dabei stört, ist, dass „metrosexuell“ auf etwas völlig Falsches abhebt: nur darauf nämlich, dass Männer jetzt auch lange Haare haben und eitel sein dürfen. Dabei geht es um mehr: um einen anderen Habitus, eine andere Ausdrucksweise. Also ist „metrosexuell“ schon ein ärgerlicher Etikettenschwindel, da Geschlechterrollen nicht aufgeweicht werden, sondern dem Mann nur ein bisschen Schmuck zugestanden wird.

Interview: Christoph Koch
Erschienen in : Süddeutsche Zeitung
Foto: Labels

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

Subscribe

If you enjoyed this article, subscribe now to receive more just like it.

Subscribe via RSS Feed

1 Reader Comment

Trackback URL Comments RSS Feed

  1. Ferdinand sagt:

    Ehrlich gesagt finde ich diesen Jens unter aller Sau. Das soll Musik sein? Kunst? Pah!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Top

Entdecke mehr von Christoph Koch

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen