Thilo Bode, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, kämpft für Transparenz auf dem Lebensmittelmarkt. Hier spricht er über ethischen Konsum, den richtigen Preis für Lebensmittel und den Zuckergehalt der Milchschnitte.
Herr Bode, derzeit hört man viel von ethischem Konsum – dass wir alle durch unser Einkaufsverhalten die Welt ändern können. Eigentlich alles super, oder?
Das klingt sehr gut, ist aber leider nicht die Realität. Denn wenn sie „ethisch“ konsumieren wollen, brauchen Sie doch klare Informationen, inwieweit das Produkt ihre Ziele erfüllt. Die haben Sie aber nicht. Inwieweit ein Produkt das Klima schädigt, erfahren Sie zum Beispiel nicht. Dazu kommt: Alle reden vom ethischen Konsum, doch nur wenige handeln danach. In Umfragen sagen meist um die 75 Prozent, dass sie ethisch konsumieren, 25 Prozent tun es tatsächlich – und auch die nicht immer.
Das typische Problem eines Modethemas?
Alle reden von der globalen Erwärmung – einschließlich der „Bild“-Zeitung – aber Geländewagen verkaufen sich trotzdem besser denn je.
Was könnte man dagegen tun?
Ohne Intervention der Regierung geht es nicht – die muss uns Grenzen setzen beim Konsum und gesetzlich die Produkteigenschaften transparenter machen. Damit der Konsument mit seinem Geldschein wirklich etwas entscheiden kann, muss er besser Bescheid wissen. Der Staat muss auch endlich das Verursacherprinzip anwenden.
Also dafür sorgen, dass Firmen für die Kosten der Umweltschäden aufkommen, die sie anrichten …
Ja, denn nur so kann dafür gesorgt werden, dass Obst, das mit Pestiziden behandelt wird, nicht am Ende unschlagbar billiger im Laden liegt als hochwertige und umweltverträgliche Bio-Produkte.
Sollte einem die Qualität und die geschonte Umwelt nicht einen kleinen Aufpreis Wert sein?
Schon, aber es ist ein völlig normales Verhalten, wenn ein Mensch alleine im Supermarkt steht und denkt: Am Ende bin ich doch der Blöde, wenn ich als einziger das Doppelte zahle. Das ist so, als würde man an der Tankstelle anbieten, jeder könne ja einen Euro drauflegen – für die Umwelt. Mit Appellen können wir die Welt nicht verändern.
Was muss sich ändern, damit die Konsumenten auch im Lebensmittelbereich entscheidungsmächtig werden?
Wir brauchen das Recht, alle Informationen zu erfragen. Transparenzforderungen sind das A und O. Das gerade verabschiedete Verbrauchererinformationsgesetz ist in dieser Hinsicht nutzlos. Da können Sie zwar über Behörden Hersteller nach Inhaltsstoffen und Herstellungsbedingungen fragen, aber die Unternehmen können die Auskunft immer wieder rausschieben – und nach fünf Jahren bekommen Sie dann vielleicht die gewünschten Informationen. Wir Verbraucher werden unsere Rechte aber nur bekommen, wenn wir uns zusammenschließen – zum Beispiel bei foodwatch.
Warum ist der Lebensmittelmarkt so viel undurchsichtiger als andere Märkte?
Sie können die Qualität nicht am Preis ablesen: Teuer ist nicht gut und billig ist nicht schlecht. Der schädliche Stoff Acrylamid kommt zum Beispiel in den teuersten Chips am häufigsten vor. Die Herstellungsbedingungen, die Massentierhaltung, die Pestizide – all das können Sie weder sehen noch schmecken. Der Stromverbrauch eines Eisschranks dagegen ist relativ gut zu messen.
Die EU hat gerade eine neue Öko-Verordnung verabschiedet und will unter anderem ab 2009 ein neues einheitliches Biosiegel einführen – ein Schritt in die richtige Richtung?
Das zusätzliche Label ist eher verwirrend, weil die alten weiterhin bestehen bleiben. Grundsätzlich ist Bio-Essen eine wichtige Alternative, weil man da relativ gut über die Herstellungsbedingungen informiert wird. Aber selbst da reicht die Informationen nicht aus: Bei verarbeiteten Lebensmitteln können sie die Herkunft der Grundzutaten oft nicht überprüfen. Dann kaufen Sie besten Gewissens Apfelgelee mit Bio-Äpfeln, die aus Argentinien eingeflogen werden.
In den vergangenen Wochen gab es große Schlagzeilen über Butter- und Brotpreise. Sind unsere Lebensmittel zu teuer, zu billig, oder gerade richtig?
Die Preise spiegeln nicht die Kosten und die Qualität wieder. Selbst wenn man bereit ist, Geld auszugeben und denkt, man gönnt sich Qualität, wenn man die vergleichsweise teure Landliebe-Milch kauft: Rufen Sie doch mal deren Hotline an und fragen, wo die ausgesuchten Bauernhöfe stehen. Da bekommen Sie keine Antwort. Sie erfahren ja nicht mal, wie viel Zucker in der Milchschnitte ist.
Interview: Christoph Koch
Erschienen in: zitty
Foto: foodwatch