"Berlin und Hamburg haben beide voll einen an der Waffel"

Written by on 29/08/2007 in zitty with 0 Comments

Sven Dietrich vergleicht in seinem Blog pop64.de seit Jahren Hamburg und Berlin

Auf sehr unterhaltsame Weise lässt der 31-Jährige Haupt- und Hansestadt in Rubriken wie „Fahrscheinkontrolle“, „Kiezgrößen“ oder „Freiluftkinos“ gegeneinander antreten. Der hauptberufliche „Webfuzzi“ (Selbstauskunft) hat lange genug in beiden Städten gelebt, um sie kompetent vergleichen zu können – und uns endlich den genauen Unterschied zu erklären.

Wann und warum haben Sie den großen Städtevergleich in Ihrem Blog gestartet?
Es begann, als ich 2004 nach Hamburg zog. Ich wollte meinen Freunden erzählen, was in dieser komischen Stadt so alles passiert. Von den Fischköppen, den Muschelschubsern, den nicht vorhandenen Spätkaufs, den teuren Dönern, diesem Elbe-Ding, dem Hafen, den Mädchen und dem Nachtleben. Daraus ist das Blog geworden. „Du hast ein Hamburg-Berlin-Trauma“, hat jemand mal gesagt. Vielleicht stimmt das ja.

Sie vergeben bei jedem Vergleich Punkte – Berlin liegt doch sicher in der Gesamtwertung vorne, oder?
Bei knapp 1.000 Artikeln habe ich da den Überblick verloren. Einen Gesamtstand will ich auch gar nicht wissen. Das Prinzip des Blogs ist, dass je nach Tageslaune, je nach Wellengang mal die eine, mal die andere Stadt gewinnt.

Warum eignen sich Hamburg und Berlin so gut für einen Vergleich?
Weil dort ähnliche Menschen leben. Außerdem haben beide Städte voll einen an der Waffel. Sind voller provinzieller Lokalpolitiker, die sich Baudenkmäler setzen. Beide Städte wollen Metropolen sein – und trotzdem kann man sonntags nur begrenzt Milch einkaufen. Beide sind in einzelnen Bereichen total größenwahnsinnig und gleichzeitig vollkommen provinziell. Der typische Bamberger, Stuttgarter oder Dresdener weiß, dass er in einer Kleinstadt wohnt, in Hamburg und Berlin wird einem, trotz Wohnung in Marienfelde oder Schnelsen, erzählt, man wäre Bewohner einer Metropole.

Was war jetzt noch mal der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Städten?
Berlin ist umgeben vom Osten, Hamburg vom Meer. Hamburger sind mit Fleisch, Berliner mit Marmelade. Letzteres versteht man aber in Berlin nicht.

Lokalpatrioten sind nicht immer sonderlich aufgeschlossen für Kritik an ihrer Stadt – wie ist das Feedback auf Ihre Artikel?
Das ist sehr gemischt, von niedlichen Tokio-Hotel-Fan-Kommentaren bis zu seitenlangen Mails, warum ich irgendwo völligst Unrecht habe. Tatsächlich sind dann jeweils die Lokalpatrioten beleidigt und regen sich auf. Aber bei über 3.000 Mails an mein Blog und zahlreichen anderen Reaktionen würde ich aus dem Bauch heraus sagen, dass das Feedback bislang eher positiv war.

Der Vergleich: Berlin vs Hamburg – gnadenlos gegenübergestellt von Sven Dietrich

Berlin gewinnt:

  • BVG: Die BVG gewinnt gegen den HVV mit Riesenvorsprung. Billiger, schneller, einfacher – schickere Fahrpläne hat sie auch.
  • Radio: In Hamburg kann man kein Radio hören. Nur Megahits der 90er ohne Hirn. Radio Eins und Fritz sind da ganz weit vorne.
  • Spätkauf: So etwas gibt es in Hamburg nur in Form von Tankstellen.
  • Kino: An jeder Ecke ein Programmkino und nebenan ein Multiplex? Das hat nur Berlin. In meinem Stadtteil in Hamburg gibt es gar kein Kino, für viele Berliner unvorstellbar.
  • Wowereit: Im Vergleich zu Ole von Beust gewinnt Wowi ganz klar. Er geht zum CSD, Herr von Beust traut sich nicht. Punkt für Berlin.

Hamburg gewinnt:

  • Elbe: Das ist echt ein anderer Schnack als die Spree und ihre Nussschalen von Ausflugsdampfern. Und Nord- und Ostsee sind auch gleich ums Eck.
  • Kneipen: Das verlängerte Wohnzimmer findet man in Hamburg viel schneller als in Berlin.
  • Taxifahrer: Wenn man hier nach dem Urlaub ins Taxi steigt, hat man nicht gleich wieder den Wunsch wegzufahren.
  • Fahrrad: Hamburg ist total klein, man kommt so schnell überall hin.
  • Flohmarkt: In Berlin kommen alle und sagen „Dit für nen Euro, wa?“. Die Hanseaten fragen höflich, was das kosten soll – und man kann deutlich mehr Geld verdienen.

Interview: Christoph Koch
Top5-Vergleich:Sven Dietrich
Erschienen in: zitty

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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