Interview Daniel Brühl: „Ich bin kein Fatalist“

Written by on 11/09/2007 in Wollt grad sagen with 0 Comments

Daniel Brühl erklärt im Interview, warum Ökomode inzwischen tragbar ist und wie ungern er sich von seinem Oldtimer trennen würde

Herr Brühl, wo fällt Umweltschutz Ihnen am schwersten?

Beim Fliegen. Das ist in meinem Job leider sehr oft nötig. Zumindest redet man sich das ein. Ich versuche jetzt, wenigstens innerhalb Deutschlands, sooft es geht, mit der Bahn zu fahren. Auch wenn sich dann manche Leute über mich ärgern, weil ich von Berlin nach Köln eben etwas länger brauche.

Auf der Website atmosfair.de kann man ausrechnen, wie viel CO2 durch einen Flug entsteht, und mit einer Spende ein Projekt fördern, das den Schaden ausgleicht. Was halten Sie davon?

Davon habe ich gehört, ich habe es aber noch nicht genutzt. Es ist natürlich besser, den Schaden gar nicht erst zu verursachen, anstatt ihn später zu beheben. Aber schlecht finde ich die Idee nicht.

Bleibt ein gutes Öko-Gewissen damit nicht denen vorbehalten, die es sich leisten können?

Klar, das klingt ein bisschen nach Ablasshandel. Aber ganz pragmatisch gesehen ist es mir lieber, wenn wenigstens die, die es sich leisten können, ihren Dreck, so gut es geht, wieder wegmachen.

Ein Theologe wurde neulich gefragt, was für ihn eine moderne Sünde sei. Antwort: 40 Paar Turnschuhe zu besitzen. Wahrheit oder Unfug?

Das sehe ich nicht so eng. Manche haben da halt Bock drauf. Eine Sünde ist für mich, wie viel manche Leute verdienen. Es gibt doch eine Grenze: Wenn man mehr verdient, als man jemals ausgeben kann. Und trotzdem gibt es so viele Nimmersatts, die nichts von ihren riesigen Vorstandsgehältern spenden. Dass sich bei denen überhaupt kein schlechtes Gewissen regt, macht mich fassungslos.

Seit einigen Jahren gibt es auch in der Modebranche eine Bewegung hin zu umweltschonend und sozial verträglich hergestellter Kleidung. Achten Sie darauf beim Shoppen?

Ich bin kein Modeexperte und auch nicht wahnsinnig experimentierfreudig. Aber manchmal gibt es Anlässe wie Preisverleihungen, bei denen ich stärker darauf achte, was ich anhabe. Dass es in der Mode auch einen Wandel hin zu ökologischem Denken gegeben hat, gefällt mir gut. Ich achte auch darauf, ob eine Firma zum Beispiel Biobaumwolle verwendet oder auf die Chemiekeule verzichtet. Das Tolle ist ja, dass die Sachen, die so produziert werden, trotzdem gut aussehen und nicht nach Jutebeutel und Latzhose.

Stammen Sie aus einem Öko-Müsli-Haushalt?

Umweltschutz hat bei uns Zuhause schon eine Rolle gespielt. Da wurde Müll getrennt, Pflandflaschen aus Glas wurden geschleppt ? aber es war nie so diktatorisch, dass ich mich später dagegen hätte auflehnen müssen. Manche Bekannte, deren Eltern radikale Ökos waren, haben in ihrer ersten eigenen Wohnung erst mal nur Getränke in Dosen eingekauft und ständig bei McDonald’s gegessen. Weil es zu Hause eben immer verboten war.

Wenn Sie einen Freund abholen und der lässt in der Wohnung Licht brennen, sagen Sie was?

Puh, schwierig. Ich will ja auch nicht als der spießige Oberlehrer in Sachen Umweltschutz rüber−kommen. Aber ignorieren könnte ich es auch nicht. Wahrscheinlich würde ich einen Witz darüber machen – und hoffen, dass er die Botschaft versteht.

Wie ist das in einer Beziehung? Könnten Sie mit einer totalen Umweltsau zusammen sein?

Derzeit habe ich keine Freundin. Aber grundsätzlich werde ich lieber erzogen, statt selbst zu erziehen. Mir wäre also jemand mit einem strengeren Umweltbewusstsein lieber als eine Frau, die ständig Plastikmüll aus dem Fenster ihres SUV schmeißt.

Wo hat der Umweltschutz für Sie Grenzen? Beim kratzigen Elefantenklopapier?

Ich kann nicht beschwören, was für eine Rolle bei mir zu Hause hängt, aber ich kaufe schon Recycling-Klopapier. Es muss ja nicht Schmirgelpapier sein.

Was denken Sie: Ist der Fortschritt die Ursache der Klimakatastrophe oder die Rettung?

Beides. Der Mensch hat sich ja an die Technik und den Komfort, den sie uns beschert, längst gewöhnt. Niemand würde heute noch auf die Annehmlichkeiten verzichten wollen, die die Technik uns ermöglicht. Deshalb müssen wir technische Wege finden, so weiterzuleben ? und gleichzeitig den Schaden zu reduzieren, der daraus entsteht. Ich finde aber, das klappt in Ansätzen bereits sehr gut.

Würden Sie auch ein Hybridauto fahren?

Klar. Auch wenn ich an meinem Oldtimer sehr hänge. Ich habe ein altes Peugeot-304-Cabrio. Damals natürlich noch ohne Kat gebaut. Angeblich kommt nächstes Jahr eine neue Abgasregelung, nach der ich nur noch 700 Kilometer im Jahr in Berlin fahren darf. Mit Fahrtenbuch und allem Drum und Dran.

Bricht dem Autofan da nicht das Herz?

Nee, ich finde das richtig. Ich werde mir dann natürlich überlegen, ob ich den Wagen behalte. Aber bei 700 Kilometern wird jede Fahrt etwas Besonderes.

Mit welchem Blick sehen Sie in die Zukunft?

Ich bin kein Fatalist, ich sehe die meisten Dinge optimistisch. Ich glaube daran, dass die Menschheit für die Probleme, die sie selbst geschaffen hat, auch Lösungen finden kann. Wir werden allerdings noch durch manches Tal gehen müssen, bevor die breite Masse aufwacht und ihre Verantwortung erkennt. Aber ich denke, es gibt immer Hoffnung, solange es kluge Köpfe auf dieser Welt gibt, auch wenn die vielleicht, wie im Fall Al Gores, noch nicht richtig am Drücker sind.

Interview: Christoph Koch
Erschienen in: Men’s Health Best Fashion
Foto: Emami PR

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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