Vitamin B hat für dich vor allem mit Obst zu tun? Oder sammelst du Visitenkarten wie andere Leute Briefmarken? Ob du das Zeug zum Sozialkapitalisten hast, erfährst du in der TYPOLOGIE der Netzwerker.
Der Naive
Immer alle mit ihren Netzwerken! Du hast doch Freunde: den Sebi und die Tine. Von früher. Deren Nummern weißt du auswendig, mit denen verstehst du dich, die reichen dir. Manchmal wunderst du dich nur, warum das Leben bei anderen ein wenig glatter zu laufen scheint. Warum der Kollege zu dem Kongress nach Barcelona fliegen darf, obwohl du geeigneter wärst. Warum alle anderen immer schnell eine neue Wohnung finden, während du dich wochenlang durch die Kleinanzeigen der Tageszeitung quälst – nur um festzustellen, dass jemand, der den Makler kannte, dir die Wohnung weggeschnappt hat. Warum du als Einziger immer den vollen Preis zahlen musst. Hat das was mit dem Internet zu tun? Du nimmst dir vor, den Sebi zu fragen, wenn ihr euch das nächste Mal seht.
Dein typischer Satz: »Ich schau mal im Telefonbuch nach, wo man da am besten anruft.«
Deine Internetcommunity: bislang keine. Nach zwei Tagen AGB-Lektüre warst du bislang immer der Meinung, dass man nur an deine Daten will.
Vorschlag für die Zukunft: Auch Menschen, die man nicht aus dem Sandkasten kennt, können einem oft unkompliziert weiterhelfen – ohne dass sie sich gleich ausgenutzt fühlen.
Der Ungeschickte
Du würdest so gern deine »Connections« verbessern. Aber es ist verhext: Immer verlieren die Leute deine Nummer, rufen nicht zurück oder gehen auf Partys Bier holen, ohne zurückzukommen. Und sie lassen dich nie nachträglich noch einsteigen, wenn du in der vierten Woche des Uniseminars zu einer Referatsgruppe stößt. Dabei hast du es kapiert: Vernetzt sein ist alles. Warum also zurückhaltend sein? Lieber klar sagen, was man sich verspricht und was man bereit ist, dafür zu geben. Vielleicht ist die Welt für deine Ehrlichkeit noch nicht bereit. Zumindest werden die von dir verfassten Massenmails wie »Hey, wer weiß in XY eine Wohnung für mich?« von deinen Bekannten nicht als gutes Networking aufgefasst, sondern als unhöflicher, fordernd klingender Zwischenruf, wie ihn das Internet zuhauf hervorbringt.
Dein typischer Satz: »Hier meine Visitenkarte, wir können sicher was Cooleslaunchen, ich bin in allen Bereichen gut aufgestellt.«
Deine Internetcommunity: Da du schon überall Mitglied bist und die Leute deiner Kontaktliste täglich zuspammst: vorerst keine.
Vorschlag für die Zukunft: Einen Gang herunterschalten! Nicht jeder, den man im Lift trifft, ist ein neuer »Businesskontakt«. Manchmal kann man auch über Wetter oder Fußball reden – und dabei mehr profitieren als durch plump artikulierte Erwartungen.
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Der Naturbegabte
Du hast einen siebten Sinn dafür, was die Leute in deiner Umgebung gerade brauchen: ob es der spanische Austauschstudent ist, dem du beim Frauenkennlernen durch Dolmetschen hilfst, oder deine Vermieterin, die du mit zwei Anrufen aus ihrem Handy-Knebelvertrag bekommst: Bei allen hast du nach kurzer Zeit einen Stein im Brett – und somit eine kostenlose Übernachtung in Spanien und keine Probleme bei der nächsten lauten Grillparty auf deinem Balkon. Manchen gehen deine permanente Hilfsbereitschaft und dein konstant fröhliches Wesen auf die Nerven. Aber selbst diese Miesepeter bekommst du auf deine Seite, wenn du sie an ihrem Geburtstag, von dem sie nicht wussten, dass du ihn kennst, mit frisch gebackenen Muffins überraschst.
Dein typischer Satz: »Allerliebste Grüße zurück – und gern geschehen.«
Deine Internetcommunity: asmallworld. net – schwer reinzukommen, dafür werden Nervensägen, die nur auf ihren Vorteil bedacht sind, rausgeworfen.
Vorschlag für die Zukunft: Bei deiner Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, läufst du allenfalls Gefahr, die wirklich wichtigen Anliegen, zum Beispiel die deiner Freunde, zu übersehen.
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Der Skrupellose
Menschen erinnern dich an Schachfiguren. Du liebst es, sie herumzuschieben, wie es dir zum Vorteil gereicht. Statt Freunden hast du Bündnispartner. Vertrauen hältst du für ein überholtes Konzept, und so gnadenlos du nach unten sein kannst, so freundlich bist du nach oben. Die Leute, die dir einen Gefallen schulden, führst du in einer Excel-Tabelle. Und »Verwendungszweck« ist für dich kein Begriff auf einem Überweisungsträger, sondern eine Rubrik in deinem Organizer, unter der du jeder neuen Telefonnummer ein Stichwort zuordnest.
Denn die Natur hat dich mit der Fähigkeit ausgestattet, in Sekundenbruchteilen zu erkennen, wie dir jemand von Nutzen sein kann. Ein ebenso unbezahlbares wie unsympathisches Talent.
Dein typischer Satz: »Ich werde auf Sie zurückkommen.«
Deine Internetcommunity: studivz.de – du bist zwar schon lange kein Student mehr, aber die billigen Mitfahrgelegenheit greifst du trotzdem gerne ab.
Vorschlag für die Zukunft: Ruhig mal den Menschen hinter dem Job, die Person hinter der Position sehen. Nicht jeder, der einem nützlich sein kann, ist es wert, Zeit mit ihm zu verbringen, und nicht jeder, der einem gerade keinen Vorteil bringen kann, ist automatisch ein Idiot.
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Der Meta-Connecter
Du entwickelst geradezu sportlichen Ehrgeiz darin, deine Kontakte so zu nutzen, dass auch für andere neue Verbindungen entstehen. Deine Lieblingsbeschäftigung ist es, auf Partys Leute, die sich noch nicht kennen, zusammenzuführen. Du wirst deswegen immer für den Gastgeber gehalten. »Nein, die Party macht Anna!«, stellst du richtig. »Aber ich stelle euch gleich mal vor. Ihr müsst euch unterhalten, denn sie sucht ständig Fotografen für ihre Agentur, und ich habe ihr schon viel von deinen Bildern erzählt.« Manche vermuten niedere Motive hinter deinen Kontaktvermittlungen. Dabei gibt es nur einen Grund, der dich strahlen lässt, wenn zwei Menschen, die sich durch dich kennen gelernt haben, ein neues Projekt – egal ob Baby oder Internet-Start-up – anfangen: deine befriedigte Eitelkeit.
Dein typischer Satz: »Ihr solltet euch unbedingt mal kennen lernen.«
Deine Internetcommunity: facebook.com – nur so stellst du sicher, dass deine Bekanntmachungsmaschinerie nicht an den Landesgrenzen endet.
Vorschlag für die Zukunft: Bevor du Philipp und Arne zum dritten Mal über ihre gemeinsamen Interessen aufklärst, widme dich doch lieber mal deinen eigenen: denn bislang bist du noch immer alleine nach Hause gegangen.
Text: Christoph Koch
Erschienen in: NEON