Die derzeit klügste MEDIENKRITIK kommt ausgerechnet von Ashton Kutcher – und dem US-Entertainmentsender E! Fernsehen
Früher hat er in seiner MTV-Sendung »Punk’d« Prominente mit versteckter Kamera auf die Schippe genommen – jetzt dreht US-Schauspieler Ashton Kutcher den Spieß um: Zusammen mit eingeweihten Celebrities macht er die Medien lächerlich.
In der ersten Folge seiner neuen Sendung »Pop Fiction«, die seit März vom amerikanischen Sender E! ausgestrahlt wird, stellt er beispielsweise Paris Hilton einen Schauspieler an die Seite, der als indischer Schamane verkleidet ist. Einen Tag lang fahren die beiden durch L.A., stets begleitet von einem Tross Paparazzi – und kurz darauf machen sich nicht nur Promiblogs und US-Zeitungen, sondern auch der Kölner »Express« oder der »Berliner Kurier« über die ach so dumme Hotelerbin lustig – ohne zu merken, dass sie selbst es sind, die zum Narren gehalten werden.
Andere Episoden zeigen Sängerin Avril Lavigne mit einem angeblichen Babybauch oder Schauspieler David Spade, wie er angeblich eine Beinahebraut auf deren Junggesellinnenabschied abschleppt. In Deutschland kann man sich die brillante und wie Medienkritiker Stefan Niggemeier schreibt »überfällige« Show auf der Webseite des Senders ansehen.
Die Sendung, die die Planung des Streichs, seine Durchführung und das anschließende Presseecho dokumentiert, zeigt nicht nur, wie leichtgläubig die Medien sind und wie schnell und vorbehaltlos sie voneinander abschreiben, sondern führt auch vor, wie straff organisiert und gnadenlos die Paparazzi sind. Die Prominenten werden dabei jedoch angenehmerweise nie weinerlich – in der Regel sind es die eingeweihten Statisten, die es nicht fassen können, wie präsent die Boulevardpresse in deren Privatsphäre ist. »So geht das also die ganze Zeit, sobald du das Haus verlässt?«, fragt der Schamanendarsteller Paris Hilton, als er mit ihr alleine im Auto sitzt, umringt von über einem Dutzend Kameras und Scheinwerfern.
Wie egal es vielen Medien ist, dass ein guter Teil ihrer Geschichten völlig beliebig anhand hastig eingekauften Fotomaterials ausgedacht wird, zeigt die Tatsache, dass von vanityfair.de bis viva.tv viele Klatschseiten sich nicht einmal die Mühe machen, Artikel zu korrigieren, die als Enten entlarvt wurden. Da Kutchers Produktionsfirma Katalyst die Inszenierungen immer erst mit der Ausstrahlung der Episode aufklärt, gibt es also noch diverse spektakuläre Promigeschichten, die sich als »Pop Fiction« entpuppen werden.
Gerüchten zufolge könnte die vor einigen Wochen aufgeregt gemeldete Story, Britney Spears habe einen halbnackten Fremden an einer Tankstelle aufgegabelt, das große Saisonfinale der ersten Staffel sein. Das Interesse seitens der Celebrities mitzumachen, sei »ziemlich stark« gewesen, sagte Kutchers Freund und Katalyst- Mitgründer Jason Goldberg der Zeitung »USA Today«: »Wir haben Spaß dabei, aber wir wollen die Menschen auch fragen: Könnt ihr wirklich alles glauben, was man euch so erzählt?« Neben diversen Boulevardjournalisten, die sich darüber beschweren, wie Kutcher sie vorführt, hat der 30-Jährige nun aber auch noch einen anderen Feind: Howard K. Stern, der Anwalt und Lebenspartner der verstorbenen Anna Nicole Smith – selbst oft genug Zielobjekt der Paparazzi-Objektive – behauptet, er und Smith hätten das Sendungskonzept bereits 2004 dem Sender E! angeboten. Das Dokument ist im Internet einzusehen und wirkt wirklich wie eine 1:1-Vorlage für »Pop Fiction«. Oder ist selbst diese Geschichte schon wieder eine von Kutcher selbst inszenierte Fälschung?
Text: Christoph Koch
Erschienen in: NEON