Eine ihrer Spezialitäten: Menschen begleiten, deren Haustier im Sterben liegt. Sie hilft aber auch schon, wenn sich ein Hund die Seele aus dem Leib heult, weil Herrchen das Haus verlässt.
Wer schon einmal im Leben eine Katze auf Drogen erlebt hat, der will das nie wieder sehen. Aber so erging es mir, als ich vor etwa zehn Jahren einen Tierarzt um Hilfe bat. Meine Katze griff plötzlich meinen Hund an, mit dem sie sich bis dahin immer gut verstanden hatte. Der Veterinär reagierte sofort mit der chemischen Keule und stellte das Tier einfach ruhig. Das zu sehen tat mir in der Seele weh, und ich dachte, es müsse auch eine andere Lösung geben.
Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch.Ich hatte schon immer viele Tiere – Katzen, Hunde, zeitweise sogar ein Pferd. Aber das war immer etwas Normales und Selbstverständliches – nichts, wofür man eine besondere „Psychologie“ gebraucht hätte. Nach dem Vorfall mit meiner Katze begann ich, mich in Themen wie Verhaltensbiologie und Tierpsychologie einzulesen. Damals war das Thema noch weit weniger verbreitet als heute – allenfalls in den USA gab es bereits mehr Leute, die sich damit beschäftigten.
Ich werde zwar noch manchmal belächelt, aber selbst „normale“ Psychologen verstehen meine Arbeit inzwischen besser.
Die Idee, die Tierpsychologie neben meinem Job als kaufmännische Angestellte auch beruflich zu betreiben, entwickelte sich erst langsam. Inzwischen arbeite ich seit rund drei Jahren nebenberuflich als Tierpsychologin und Tiersterbebegleiterin, mein Patientenkreis wird nach und nach größer – auch weil sich erst allmählich herumspricht, dass es so eine Dienstleistung überhaupt gibt. Ich werde zwar noch manchmal belächelt, aber selbst „normale“ Psychologen verstehen meine Arbeit inzwischen besser. Wir haben in Deutschland nun mal eine Menge Singlehaushalte – und die meisten davon halten Haustiere, um nicht alleine zu sein. Für viele ist es eine Art Kinderersatz, und der Tod eines Tieres ist für solche Menschen dann wie der Tod eines Familienmitglieds. Dass das genauso weh tun kann, das können in der Regel nur diejenigen nachempfinden, die selbst eine enge Beziehung zu ihrem Haustier pflegen. Auf das Verständnis im Freundeskreis kann man sich von daher nicht unbedingt verlassen. Ich sehe meine Aufgabe darin, den mit ihren Gefühlen allein gelassenen Trauernden beizustehen. Es hilft einfach, wenn man merkt: Da ist auch jemand, der mir zuhört und meinen Schmerz versteht. Ein Ansprechpartner, bei dem ich auch meinen Frust loswerden kann. Oder der einem bei dem Schritt hilft, zum Tierarzt zu gehen und das Tier durch Einschläfern von einer Krankheit zu erlösen. Dieser Schritt ist sehr schwer, das weiß ich aus eigener Erfahrung: Man kommt sich in schlechten Momenten vor wie ein Mörder. Den Tieren wiederum gebe ich in dieser Zeit homöopathische Mittel, damit sie schmerzloser ihre letzten Tage erleben können.
Neben der Sterbebegleitung kümmere ich mich auch um „ganz normale“ Probleme, die Menschen mit ihren Haustieren haben. Angefangen vom aggressiven Hund über einen mit Trennungsangst bis hin zur plötzlichen Unsauberkeit bei Katzen. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass ich die Haustiere auf meine Psychiatercouch lege und dann über ihre schwere Kindheit ausfrage. Ganz oft geht es viel eher um den Menschen: Der kann zum Beispiel gegensteuern, wenn sein Tier sich komisch verhält, indem er selbst etwas anders macht. Die Tiere zeigen oft ein durchaus artgerechtes Verhalten, das der Mensch aber als störend empfindet. In solchen Fällen darf man dann den Herrchen oder Frauchen natürlich nicht so geradeheraus sagen „Da sind Sie aber selber schuld, Sie machen ja alles verkehrt“ – in meinem Job braucht man Fingerspitzengefühl. Und wenn man das, was man vermitteln will, nicht gut verpackt, stößt man schnell auf Gegenwehr. Denn dass er sein Tier nicht im Griff hat und durch sein eigenes Verhalten die Probleme auslöst, will niemand gerne hören. Neben diesem Feingefühl braucht man natürlich Liebe und Fachwissen, was Tiere betrifft – und man muss gewillt sein, sich selbst engagiert fortzubilden. Denn ein Studium der Tierpsychologie gibt es nicht, allenfalls Privatschulen und Fernkurse.
Das Rätsel mit meinen eigenen Tieren konnte ich damals zum Glück lösen: Es stellte sich heraus, dass mein Hund herzkrank war, die Katze dies gespürt hat und mit ihren Angriffen versuchte, den Kranken aus ihrem Leben zu befördern. Ich habe seitdem oft festgestellt, dass es eine körperliche Ursache haben kann, wenn Tiere sich plötzlich anders verhalten – manche sind sterbenskrank. Deshalb lautet mein erster Rat an alle Tierhalter, die mich um Rat fragen, weil ihre Katze plötzlich „spinnt“ oder der Hund in letzter Zeit so anders ist: Immer erst mal zum Tierarzt gehen und das Tier untersuchen lassen.
Protokoll: Christoph Koch
Erschienen in: FAZ Hochschulanzeiger
Foto: privat