Die schönste Blog-Entdeckung des zu Ende gehenden Monats war zweifellos „Print würgt“ von Michalis Pantelouris. Pantelouris bastelte vergangenes Jahr an einem Magazin namens „Ivy World“, das dann leider nach einer Probeausgabe doch nicht veröffentlicht wurde.
Nun sitzt er auf einer griechischen Terasse und macht sich in seinem Blog Gedanken über die ganzen Fragen, die alle derzeit umtreiben: Wie geht es weiter mit dem Journalismus? Dem Papier? Den Anzeigen? Den Zeitungen, Erlösmodellen, Zielgruppen? Was wird aus meinem Beruf? Warum habe ich nicht was Anständiges gelernt? Ist Google Schuld? Oder Burda verrückt?
Liest man jeden Tag was drüber momentan, klar. Aber selten bis nie so viel Kluges, Ehrliches, Wahres und gleichzeitig Lustiges wie auf „Print würgt“.
Ich erinnere mich an eine Maxim-Ausgabe in einer Tüte, in der außerdem (meiner Erinnerung nach, aber der Umfang stimmt ungefähr) ein Schokoriegel, eine Baseball-Mütze, ein Kondom und ein Duschgel untergebracht waren. Es war wie in der Real-Supermarkt-Werbung: Alles drin.
Heute gibt es mehrere Segmente, in denen es Verlagen schon fast peinlich zu sein scheint, einem Leser nur eine Zeitschrift zu verkaufen. CDs, DVDs, Flipflops, Duftanhänger fürs Auto und für Mädchen (ich habe eins, das anfängt, Zeitschriften zu wollen) Schmuck, Schminke und jede Menge rosafarbener Plastikscheiß. Es kommt mir vor, als wäre YPS nicht eingestellt worden, sondern einfach in allen anderen Medien aufgegangen.
(Aus einem Artikel über Give-Aways und Nutzwert-Journalismus)
Das Schlimme sind für mich gar nicht Dinge wie die unsauber gedachte Hamburger Erklärung der Verlage und Verbände, in denen sie im Prinzip ja nur verlangen, man möge sie bitte mit Geld bewerfen. Ich finde, das ist eine Forderung, die jeder stellen können sollte. Das wird sich von selbst erledigen, wenn niemand wirft.
(Aus einem Artikel über „Content-Klau“ und dessen vermeintlicher Schuld an der Branchenkrise)
Es gibt noch Männer. Ich selbst kenne ein paar. Ich kenne sogar Männer, die sich neben Internet-Pornos auch noch für andere Dinge interessieren, zumindest in der Öffentlichkeit. Und davon lesen sogar einige Magazine. Ich kenne nur niemanden mehr, der ein Männermagazin liest, und das dürfte immer mehr Menschen so gehen. Ich bin der festen Überzeugung, das müsste nicht so sein.
(Aus einem Artikel über, man ahnt es, Männermagazine)
Ich würde sofort dazu aufrufen (bzw. habe es voreilig via Twitter bereits getan), Herrn Pantelouris‘ Blog im RSS-Feader Eures Vertrauens zu abonnieren – aber da ist leider irgendwas Technisches kaputt. Also schön old school bookmarken, bitte.
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Journalisten auf Facebook
Da hilft die Flucht in die Poesie der Erinnerung – weil die Journalisten-Gegenwart vielleicht auch ein bisschen unerträglich geworden ist. Ein cooler Blick in den Rückspiegel auf der Fahrt durch den Alltag. Wie alte Gefangene eines längst überholten Wahrheitsbegriffs laufen sie auf FB als Ästheten dieses Alltags zu Höchstform auf: Erfinde dich neu! Es gibt eben kaum etwas, was tiefer bewegt als das eigene Leben, sagte schon Arthur Schnitzler.
Tom Kummer (ja, der mit den Interviews) in seinem sehr lustigen Artikel im Freitag über Journalisten auf Facebook, Popkultur-Selbstdarsteller und deren (nicht eben kleine) Schnittmenge.
(via Medienlese)
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I’m Tied To The Nineties
Und nach so viel journalistischer Selbstbespiegelung noch etwas Luftiges zum Wochenende. Für alle, die es inzwischen schon vergessen oder verdrängt haben (oder sich noch immer über die verrückt-stillosen Achtziger mokieren): So hässlich waren die Neunziger.
So stellte man sich damals die bunte weite Welt des Internet vor. „Sei ein User, geh online, im E-Mail triffst du mich.“
(via bjoernstar)