Sein Film »2012« wurde lange vor dem Start durch den Kakao gezogen. Wie kritikfähig ist Hollywoodstar John Cusack?
Wie verhalten Sie sich, wenn jemand aus der Branche Sie nach Ihrer Meinung fragt – zu seinem neuen Film oder Drehbuch?
Es kommt drauf an, ob er mit seiner Arbeit schon fertig ist. Wenn er mich während des Entstehungsprozesses fragt, dann versuche ich so ehrlich wie möglich zu sein, auch wenn diese Art von Ehrlichkeit oft schmerzhaft ist. Wenn die Sache jedoch bereits gelaufen ist, versuche ich, mich auf das Positive zu konzentrieren, und lobe, was mir gefallen hat.
Wie ist es, wenn es um Ihre eigene Arbeit geht?
Ich kann knallhart zu mir selbst sein, zum Beispiel, wenn ich das Gefühl habe, dass eine Szene nicht gut genug ist. Aber wenn es um die Arbeit des Regisseurs geht, kommt es ja darauf an, ob er offen ist für das Feedback eines Schauspielers. Ich sage immer ehrlich meine Meinung – aber nur ein Mal!
Im Weltuntergangsspektakel »2012« spielen Sie einen erfolglosen Schriftsteller, der dennoch weiterschreibt. Kennen Sie diese Art von Besessenheit?
Sehr gut sogar. Ich war ja auch nicht mein ganzes Leben lang erfolgreich. Als ich vor einiger Zeit meine eigene Produktionsfirma »New Crime« gründete und wir unseren ersten Film drehten, bei dem ich auch am Drehbuch mitschrieb – »Grosse Pointe Blank« -, da wusste ich lange Zeit nicht, ob das funktionieren würde. Der Film wurde zwar kein riesiger Kassenerfolg, aber er bedeutet noch heute vielen Leuten etwas. Manchmal ist es auch andersherum: Da kommt der Erfolg schnell und ist genauso schnell wieder weg.
In »Grosse Pointe Blank« spielten Sie einen lebensmüden Killer, der wegen eines Mordauftrags sein eigenes Klassentreffen besuchen muss. Stimmt es, dass Sie damals tatsächlich Ihre alte High School besuchten?
Ja, allerdings nur aufgrund einer Wette: Es war ja der erste Film den ich produzierte, und ich versprach, dass ich zu meiner High School Reunion gehen würde – falls wir das Geld zusammenbekämen. Nun ja, wir schafften es, ich musste hin und konnte viel von dem, was ich dort erlebte, für das Drehbuch verwenden.
Ohne die Wette wären Sie nicht hingegangen?
Niemals, keine Chance! Ich verstehe, dass ein Klassentreffen für manche Leute eine Methode ist, sich der eigenen Herkunft zu vergewissern – aber nicht für mich.
Wie war denn der Abend?
Überraschend lustig. Weil Menschen in ihre alten Rollen zurückfallen. Es hat mich auch überrascht, wie happy und zufrieden manche Menschen sind, und wie verbittert andere – obwohl es in ihrem Leben objektiv gar keinen Unterschied gibt. Und dann gibt es natürlich die, die einfach nur besoffen sind. Und jeder beurteilt jeden.
Das müssen Sie ja kennen: Maskenbildner, die einem jede Falte vorwerfen, Filmkritiker, Regisseure, gehässige Blogger. Das Leben eines Schauspielers besteht doch daraus, kritisiert zu werden.
Also, mich lassen die Leute weitgehend in Ruhe. Das geht aber nicht allen so – vielleicht habe ich einfach nur Riesenschwein.
Ihr Vater und Ihre Geschwister sind allesamt Schauspieler. Dadurch müssten Sie doch früh gelernt haben, mit Kritik umzugehen.
Mein Vater hat mir das schnell beigebracht, ja. Er kann ein harscher Kritiker sein. Da heißt es, die Nerven zu bewahren.
Eine neue Kunstform sind Fake-Trailer: Filmwerbespots werden auf YouTube umgeschnitten und neu vertont, sodass eine andere Aussage entsteht. Vor allem zu »2012« entstanden Fakes, in denen sich über den Film lustig gemacht wurde. Können Sie mitlachen?
Klar! Ich muss zugeben, dass ich die von »2012« nicht kenne, aber normalerweise finde ich es großartig, wenn Menschen sich etwas schnappen, das einem Großkonzern gehört, und es neu zusammenbasteln. Das Internet macht möglich, dass sich gute Ideen auch ohne Budget und PR millionenfach verbreiten – wundervoll.
»2012« ist eben solch ein Spektakel mit Riesenbudget: Wappnen Sie sich bereits für kritische Briefe von Fans, die Sie lieber in anspruchsvollen Filmen wie »Being John Malkovich« oder »High Fidelity« sehen?
Ich lese solche Briefe nie, denn ich verstehe die Vorwürfe nicht. Bisher hat es noch niemand geschafft, ausschließlich Arthouse-Filme zu machen, ohne mal einen Blockbuster dazwischenzuschieben. Ich würde es sofort machen, wenn das ginge!
Interview: Christoph Koch
Foto: David Sifry (Creative Commons Attribution 2.0 Lizenz)
Erschienen in: NEON
Hallo Christoph,
danke für das John Cusack-Interview! War und ist mein Lieblingsdarsteller, spätestens seit „The Sure Thing“ damals. Aber auch sonst (ab, sagen wir mal, der Volljährigkeit) grundsympathische Filmwahl (der eine Bruckheimer-Dreck sei ihm verziehen, vielleicht hat ja gerade diese Kohle dann GPB ermöglicht), politisch wie menschlich korrekt, und auch neben seinem Darstellertum immer schön fleißig: Theater mit Tim Robbins und eigene Filmfirma mit alten Schulkumpels, was will man mehr? Etwa dieses Interview, das mir den Tag versüßt hat. Super.
Und ganz generell mal Dank an Dich für diese Homepage! Ich hatte nach den alten Headspin- und Komm Küssen-Tagen teils ein wenig den Anschluß verloren (da Neon leider nicht Jetzt war). Umso glücklicher bin ich, hier Deinen Output versammelt zu sehen, so daß mir fortan hoffentlich nichts mehr entgeht.
Bitte so bleiben, schönen Gruß und alles Gute,
Patrick
@patrick: Danke für die Blumen. Auch ich bin großer Cusack-Fan. War leider im Interview ein wenig matt, aber war auch ein sauberer PR-Marathon…
Weiterhin viel Lesespaß und danke für die Treue.
Hi, Christoph!
Vielen Dank für dein Interview. Will man mehr über jemand wissen, dann muss man ihn zuhören.
Bin ebenfalls großer John Cusack Fan! Ist Dir vielleicht eine Adresse bekannt an die ich mich für ein Autogramm von John Cusack wenden kann?
Chris
Hallo Chris,
du könntest es bei seiner Produktionsfirma versuchen:
John Cusack
New Crime Productions, LLC
1041 N Formosa Avenue
Formosa Bldg.
Suite 219
W. Hollywood, CA 90046-6703
USA
Viel Glück!
Christoph