Großzügige und Geizhälse, Aufrechner und Verbummler: Oft haben die besten Freunde einen ganz anderen Umgang mit Geld als man selbst. Aber beim Geld fängt die Freundschaft erst an.
Die Rechnung, die der Ober nachlässig auf das weiße Tischtuch legt, läutet einen Kampf ein, wie man ihn unter Freunden eigentlich nicht gewohnt ist. »Ich mach das schon!«, sagt der eine und greift zu seinem Portemonnaie. »Du hast vorhin schon das Taxi bezahlt. Hast du im Lotto gewonnen oder willst du nur angeben?«, protestiert ein anderer. »Eben! Einfach durch vier, oder?«, fragt der Nächste. »Ich hatte aber keine Vorspeise. Und außerdem nur Bier statt Wein«, meckert der Vierte.
Egal ob es um die Restaurantrechnung geht, um die Größe der Geburtstagsgeschenke oder darum, ab welchem Betrag man geborgtes Geld zurückfordert: Geld spielt in Freundschaften eine wichtige Rolle – allerdings eine subtile. »Über Geld spricht man nicht« gehört zu den Forderungen, die wir mit großer Wahrscheinlichkeit von unseren Eltern übernehmen. Als Grundschüler tauschte man sich noch über die Höhe des Taschengeldes aus. Auch während der Ausbildung oder im Studium herrscht weitgehend Finanzgleichheit. Mit dem ersten Job aber beginnen die finanz-emotionalen Probleme: Bin ich ein Versager, wenn ich knapp über Hartz IV rumkrebse, während sich meine Freunde schon über Limousinen/Dienstwagen unterhalten? Muss ich mich für mein hohes Gehalt schämen, wenn der Freund, der im Studium viel brillanter war, nur die Hälfte bekommt? Ist es großzügig oder großkotzig, wenn der Freundeskreismogul eine Tischrunde schmeißt?
Auch unabhängig vom Kontostand unterscheidet sich die Art, wie Freunde mit Geld umgehen, mitunter erheblich. So finden es manche vollkommen normal, am Ende jedes Monats nägelkauend vor dem Automaten zu stehen und bang auf das Rattern zu warten, mit dem die Maschine ankündigt, dass sie doch noch ein paar Scheine ausspucken wird. Weil die Verprasser aber die dreieinhalb Wochen vorher, in denen sie auf großem Fuß gelebt haben, so sehr genossen haben, werden sie es im nächsten Monat wieder so machen. Für andere wäre es hingegen unvorstellbar, eine andere Klopapiersorte als die allerbilligste zu kaufen. Schließlich wollen sie irgendwann diese Eigentumswohnung, und da zählt jeder gesparte Euro.
Für sich genommen ist gegen beide Modelle wenig zu sagen. Schwierig wird es nur, wenn sie aufeinanderprallen. Und das tun sie unter Freunden ständig. »Unsere Einstellung zum Thema Geld entspringt zu einem Großteil unserer Erziehung«, erklärt die US-Soziologin Jan Yager, die über Frauenfreundschaften promoviert hat. »Man muss einfach akzeptieren, wie andere damit umgehen.« Das bedeutet nicht automatisch, dass wir exakt die gleichen finanziellen Angewohnheiten haben wie unsere Eltern. Manchmal sorgt der Wunsch nach Abgrenzung dafür, dass wir uns genau konträr verhalten. So wie man gegen Hippieeltern am besten mit einem BWL-Studium in Barbourjacke rebelliert, kann man verschwenderische Kreuzfahrereltern natürlich mit lässig gelebter Askese in einer 8er-WG ohne Fernseher vor den Kopf stoßen. Das ist einer der Gründe, warum es erstaunlich großzügige Studenten gibt – und knauserige Großverdiener.
Doch beim Thema Geld und Freundschaft geht es gar nicht ausschließlich um die beiden Pole Sparsamkeit und Verschwendungssucht. Mindestens genauso große Konflikte können zwischen Freunden auftreten, von denen einer sehr korrekt und der andere eher nachlässig ist. Während der eine also stets aufrechnet, wer wem wann 1,80 Euro für ein U-Bahn-Ticket geborgt hat, vertritt der andere die stoische Schule des »Gleicht sich irgendwann doch sowieso aus«. »Aus diesen Spannungsfeldern ergeben sich insgesamt vier verschiedene Geldtypen«, sagt der Berliner Kommunikationspsychologe Frank Naumann:
1 ) Die Großzügigen:
»Oft verschwenderisch; und gut darin, Geld nicht strategisch zu investieren, sondern für schöne Dinge auszugeben – für sich selbst, aber auch für andere. Überziehen auch mal ihr Konto, wenn ihnen danach ist.«
2 ) Die Akkuraten:
»Die Planwirtschaftler, die stets ein Haushaltsbuch führen, sei es schriftlich oder im Kopf. Müssen nicht zwangsläufig geizig sein, aber wenn sie sich etwas Teures leisten, wird genau abgewägt, ob es seinen Sinn auch erfüllt.«
3 ) Die Nachlässigen:
»Überziehen auch ihr Konto, aber nicht aus Verschwendung, sondern weil sie nicht auf die Kontoauszüge gucken. Erinnern sich nicht daran, wem sie noch etwas schulden, vergessen aber auch öfter selbst, Geld zurückzufordern.«
4 ) Die Ängstlichen:
»Trauen sich selbst keine Kompetenz in Gelddingen zu. Vertrauen aber genau aus dieser Unsicherheit heraus bisweilen blind einer Person, die sich als kompetent darstellt, etwa einem scheinseriösen Bankberater.«
Gerade im Urlaub, wenn Freunde sehr viel Zeit miteinander verbringen, können die Unterschiede zwischen den Geldtypen oft zum Problem werden: Warum habe eigentlich wieder ich diese Runde bezahlt? Warum müssen wir mit dem Taxi durch die ganze Stadt fahren, gibt es denn keine U-Bahn? Warum können die ihren Urlaub nur genießen, wenn sie jeden Abend vier Gänge essen? Soll ich was sagen wegen der fünfzig Euro, die ich noch für die Fähre bekomme?
Denn eines ist klar: Jeder der vier Typen kann sich auf Dauer von den anderen verarscht vorkommen. Der Großzügige fühlt sich irgendwann ausgenutzt, wenn seine Einladungen und Geschenke nie erwidert werden oder, schlimmer noch, ihm jede aus dem Supermarkt mitgebrachte Cola berechnet wird. Der Sparsame knirscht mit den Zähnen, wenn er von seinen Freunden schon wieder in ein Restaurant geschleppt wird, das er sich zwar leisten kann, das in seinen Augen aber einfach überteuert ist. Der Akkurate ist gekränkt, dass seine Freunde vergessen, ihm das Taxigeld anteilig zurückzugeben. Und dem Nachlässigen geht es extrem auf den Wecker, dass überhaupt jemand mitzählt, wie viele Runden schon getrunken wurden.
Doch wie lässt sich verhindern, dass diese unterschiedlichen Haltungen eine Freundschaft belasten? »Zunächst sollte man im Gespräch herausfinden, was Geld für den anderen bedeutet«, rät Frank Naumann. »Dabei muss mir klar sein, dass es andere Wertvorstellungen gibt, die genauso lebenstüchtig sind wie meine. Den anderen von meinem Wertesystem überzeugen zu wollen, ist aussichtslos.« Und wenn diese Analyse ergibt, dass die Wertesysteme unvereinbar sind? »Dann muss ich mich entscheiden, ob mir die andere Person wichtiger ist oder dass ich meine 1,80 Euro für den Bus wiederbekomme. Wenn man zusammenlebt, zum Beispiel in einer WG, sind klare Regeln wichtig, wie mit Geld umgegangen wird – wie etwa eine Haushaltskasse.« Klingt in der Theorie prima. Diese Toleranz in beide Richtungen tatsächlich zu praktizieren, kann aber schwierig sein. Einfacher wird es, wenn man sich gelegentlich bewusst macht, dass der andere uns nicht ärgern möchte, sondern unsere finanziellen Einstellungen eine Mischung aus angeborenem Temperament und elterlichen Vorbildern sind. Wer großzügig ist oder sich dafür hält, schämt sich schnell für den Freund, der Supermarktsüßigkeiten ins Kino mitbringt, weil sie billiger sind, und jede Rechnung auseinanderpflückt, obwohl er doch sehr gut verdient. Doch womöglich ist er als Kind einer alleinerziehenden Mutter in einem Haushalt aufgewachsen, in dem das Geld immer knapp und eine gewisse Grundsparsamkeit überlebenswichtig war. Andersherum funktioniert es ähnlich: Statt sich von einem extrem Großzügigen beschämt oder brüskiert zu fühlen, sollte man versuchen, ihn besser zu verstehen: »Wer extrem freigebig ist, versucht in manchen Fällen, sich auch Zuneigung zu kaufen – selbst wenn er es gar nicht merkt«, sagt die Soziologin Jan Yager. »Andere sind wiederum so gepolt, dass sie sich gar nicht an ihrem Wohlstand erfreuen können, wenn sie ihn nicht dauernd mit anderen teilen.«
Und was macht glücklicher? Großzügige Menschen haben hier die Empirie auf ihrer Seite. So kam eine Studie der University of British Columbia zu dem Ergebnis, dass das Glücksgefühl von Menschen, die Geld für andere Menschen oder für wohltätige Zwecke ausgegeben hatten, überdurchschnittlich gestiegen war – unabhängig vom Einkommen. In einer anderen Studie bekamen die Probanden zwanzig Dollar geschenkt. Die eine Hälfte mit der Auflage, sich bis zum Abend für sich selbst etwas zu kaufen. Die andere Hälfte sollte das Geld für andere ausgeben. Das Ergebnis: Diejenigen, die ihre Freunde zum Essen einluden oder ihnen etwas schenkten, waren am Abend glücklicher als jene, die sich selbst etwas gekauft hatten.
Marcus Wiebusch, der mit seiner Band Kettcar die Geldverjubelhymne »Money Left To Burn« geschrieben hat, beschrieb das ideale Ausgehverhalten unter Freunden in einem Interview wie folgt: »Wenn man merkt, dass ein paar Leute aus der Gruppe gerade finanziell ein bisschen klamm sind, dann wird halt an der Tankstelle Bier gekauft, und man stellt sich draußen vor den Club. Und wenn es dann am nächsten Wochenende wieder besser aussieht, geht man gemeinsam rein und trinkt White Russian.«
Selbstbefragung: Dein Geld, deine Freunde und du – manche Fragen muss man sich einfach mal stellen.
- Ab welcher Höhe forderst du Geld zurück, das du im Nachtleben verliehen hast? 20 Euro? 100 Euro?
- Wenn du das Geld nicht für Drinks, sondern für ein Zugticket oder Medikamente ausgeliehen hast – liegt die Grenze dann woanders? Wenn ja, warum?
- Bist du verärgert, wenn ihr verabredet, die Restaurantrechnung zu teilen und du nur zwei Gänge gegessen hast, dein Bekannter aber drei?
- Verärgert über dich selbst oder über den Bekannten?
- Wenn du vorher weißt, dass die Rechnung fifty-fifty (oder pauschal durch drei) geteilt wird – bestellst du dann andere Gerichte, als wenn jeder separat bezahlt?
- Ein Freund braucht 3000 Euro, um Schulden beim Finanzamt zu begleichen. Du hast das Geld gerade übrig. Gibst du es ihm?
- Kann er noch dein Freund sein, wenn er es dir nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlt, sondern stark verspätet abstottert, weil er einen schlecht bezahlten Job annehmen musste?
- Kann er noch dein Freund sein, wenn er trotz Schulden bei dir mit seinem Partner in den Urlaub fährt?
- Passt du die Geburtstagsgeschenke, die du Freunden machst, im Wert dem an, was sie dir zuletzt geschenkt haben?
- Kannst du sofort sagen, wem du noch Geld schuldest?
- Bist du absolut sicher, nichts vergessen zu haben?
- Hast du schon mal eine Verabredung mit Freunden abgesagt, weil du Angst hattest, sie würden in Restaurants oder Bars gehen wollen, die dir zu teuer sind?
- Bist du freigebiger, wenn du dich unsicher fühlst?
- Bist du freigebiger, wenn dein Partner nicht dabei ist? Wenn ja, woran liegt das?
Text & Foto: Christoph Koch
Erschien in: NEON
super text und sehr gut geschrieben. habe mich dann und wann wieder erkannt ;-). danke!
Super, dass die verschiedenen Perspektiven/Geldtypen gleichwertig aufgezeigt werden. Das fordert implizit zu Toleranz auf. Wenngleich natürlich die Belege für mehr Zufriedenheit seitens der ‚Großzügigen‘, diesen irgendwie ‚Recht‘ geben. Aber dieses ‚Recht haben‘ zu thematisieren/einzuklagen/im Streit vorzubringen wäre dann ja wieder nicht großzügig. Ach, ach…