Jürgen Botschner: Mein Medien-Menü (14)

Written by on 29/05/2012 in Was ich lese with 2 Comments

In der Reihe “Mein Medien-Menü” stellen interessante Menschen ihre Lese-,  Seh- und Hörgewohnheiten vor. Ihre Lieblingsautoren, die wichtigsten Webseiten, tollsten Magazine, Zeitungen und Radiosendungen – aber auch nützliche Apps und Werkzeuge, um in der immer größeren Menge von Informationen, den Überblick zu behalten und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Jeden Montag also ein neues Medien-Menü – diese Woche (nach einer Woche Pause wegen Faulheit) zu Gast: der Blogger und St.-Pauli-Fan Jürgen Botschner.

Auch wenn es wie ein Klischee klingt: Der erste Griff geht morgens zum iPhone. Zu der ersten Tasse Kaffee überfliege ich meine Twitter-Timeline und lese meistens die klassischen „Guten Morgen“ Tweets, Politik und Kultur ist selten dabei. Möchte ich hingegen einen tieferen Blick in den Nachrichtenstrom, so greife ich eher auf meine „Essence“ Liste zu. Mit der Zeit kristallisierte sich eine Liste von Twitterern heraus die in etwa meine Interessen teilen und oft das tweeten, das mich interessieren könnte. So reicht es, einmal pro Stunde diese Liste zu überfliegen, um zu wissen, was gerade los ist. Nach demselben Prinzip gibt es auch eine Politikliste, TV-Liste, usw.

Beinhaltet einer der Tweets einen interessanten Link, wird der selten gleich verfolgt und gelesen, sondern an Instapaper verschickt. Ein wunderbarer Dienst denn ich nicht mehr missen möchte. Am Abend wird der RSS-Feedreader durchgelesen anschließend die gesammelten Artikel auf Instapaper. Die besten Artikel gehen wiederum per Twitter in den „Infokreislauf“ zurück und eine Kopie davon landet im Archiv (Evernote).

Neben meinem Feedreader, der ein breitgefächertes Potpourri an Themen bietet, las ich lange die „c’t“ „NEON“ oder „Brand Eins“ als gedruckte Ausgabe. Doch mit der Zeit verblasste das Interesse, ich kaufte immer seltener die Ausgaben und zu guter Letzt schlief es komplett ein. Zeitgleich fing ich dafür an die Internetpräsenz der drei Magazine zu besuchen und interessante Artikel an Instapaper zu versenden. Ich merke gerade, der Tag an dem Instapaper geschlossen wird, wird kein guter Tag.

Ironischerweise scheint sich das Ganze aber auch manchmal umzudrehen. So las ich lange „Die Zeit“ online aber seit ein paar Wochen laufe ich regelmäßig zu unserem Zeitungskiosk und kaufe sie in gedruckter Form. Ich überlegte sogar, sie für den Kindle zu abonnieren, aber an den Frühstückstisch gehört meiner Meinung nach immer noch eine Zeitung auf Papier – ich gehöre noch zu der Generation, die mit einer gedruckten Tageszeitung aufwuchs. Ok, wir lebten damals in einem kommunistischen Land und die Tageszeitungen waren fast alle gleichgeschaltet, aber trotzdem:  Zeitung muss sein.

Für Nachrichten im Netz sind mir eindeutig die Klassiker SPON, stern.de, faz.net, ZEIT Online, focus.de, sueddeutsche.de wichtig. Natürlich stimme ich nicht allen Meinungen zu, aber versuche mir immer ein möglichst komplettes Bild von einem Ereignis zu machen. Außerdem sollte man, auch wenn es nicht immer leicht ist, andere Meinungen oder Sichtweisen ertragen – selbst wenn man sie nicht gutheißt.

Weihnachten 2006 erfüllte ich mir einen Traum, und kaufte mein erstes Macbook. Zeitgleich fing ich dabei an die ersten Blogs bewusst zu lesen und selber eines zu führen. Daher waren es anfangs viele Blogs mit Themen aus der Applewelt, wie „Admartinator“, „Nasendackel“, „Aptgetupdate“ oder der mittlerweile wieder gelöschte Gunnersen. Gerade als Apple-User wollte ich „meinesgleichen“ lesen, wen interessiert da schon die Windowswelt. Später entdeckte ich Blogs, die heute viele als die Bloggerelite bezeichnen; „Law Blog“, „Netzpolitik“,“Lummaland“, „Webevangelisten“ „Spreeblick“. Wobei ich dieses Einteilen einfach Quatsch finde. Ein Blog ist interessant oder nicht, es gibt auch große Blogs, die einfach nur langweilig sind. Zwei nicht so bekannte Blogs, die ich gerne jedem empfehlen würde, sind Künstlerleben (das Blog eines Deutschen der 1957 in die Staaten zog) und Nur Fliegen ist schöner (der fliegende Blogger).

Zur Zeit habe ich wieder mein Interesse für Mode und Design entdeckt, selbstverständlich gibt es auch hier Blogs die guten Lesestoff anbieten wobei ich immer bei Tumblr lande. Wer Tumblr nicht kennt: Es ist eine Art zu bloggen, die teilweise nur aus Fotos besteht. Aber gerade beim Thema Architektur, reicht es oft auch vollkommen aus, Fotos eines Gebäudes zu zeigen, ohne 400 Zeichen begleitenden Text dazu. Daher hoffe ich , dass Tumblr uns noch eine Weile erhalten bleibt.

Wenn ich keine Blogs lese, greife ich gerne zu Büchern. Vor ein paar Jahren entdeckte ich mehr durch Zufall Henning Mankell, und fing an, ein Buch nach dem anderen zu lesen. Außerdem bin ich ein Fan von Anne Rice, die durch „Interview mit einem Vampir“ bekannt wurde. Manchmal verschlafe ich auch gute Bücher: So lag der erste Roman der „Millennium Trilogie“ von Stieg Larsson schon lange bei mir auf dem Schreibtisch bevor der Hype darüber losging. Mir erschien er damals einfach nur zu langweilig, um ihn zu lesen. Sehe ich mittlerweile anders.

Natürlich lese ich auch zahlreiche Sachbücher und stelle sie nachher auf meinem Blog meinen Lesern vor. Dabei interessieren mich Themen, die man nicht so oft antrifft. Zum Beispiel „Delete“ von Viktor Mayer-Schönberger oder „The Big Switch“ von Nicholas Carr. Vor ein paar Monaten legte ich mir ein gebrauchtes iPad zu und kaufe jetzt vermehrt Sachbücher für meine Arbeit als eBook.

Sehr gut finde ich übrigens auch die App der Tagesschau, vor allem wegen der Kompaktheit der Nachrichten dort. Ich hatte eine Phase, da konnte ich kaum lange Artikel lesen. Kann sein, dass das auch ein Zeichen der Zeit ist: Alles muss schnell, kompakt, klein und leicht verdaulich sein. Mittlerweile hat sich das wieder gebessert.

Mein Fernsehgerät bleibt fast die ganze Woche aus. Wir sehen eher gezielt Serien wie „Boardwalk Empire“ „Alcatraz“ „Six Feet Under“ „Dexter“, „Californication“, „Dr. House“, „CSI Las Vegas“ oder die „Heute-Show“. Leider werden viele gute Serien nie im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Dank Amazon UK kann man sie wenigstens auf DVD kaufen, und verbessert nebenbei seine Englischkenntnisse.

Besser ist da die Auswahl an Podcasts: Persönliche Favoriten sind da; „Das Küchenradio“ „HR2 der Tag“ „SWR1 Leute“, „Der Soziopod“ „Die Kesselflicker“. Und bevor ich es vergessen: Ebenfalls zu empfehlen sind der Blog-Aggregator Rivva und die Netzpiloten.

PS: Gelegentlich erwische ich mich dabei, die Frauenzeitungen meiner Freundin zu lesen. Die Modestrecken sind ja nicht so der Knüller, aber oft gibt es gute Rezepte sowie Musiktipps.

Text & Foto: Jürgen Botschner

Jürgen Botschner ist gelernter Heilerziehungspfleger und war lange Zeit für ein großes deutsches Telekommunikationsunternehmen aktiv. Zur Zeit befindet er sich in einer Phase der berufliche Neuorientierung. Nebenbei betreibt er das Blog HappyBuddha1975 und ist auf Twitter als @HappyBuddha aktiv.

Wer auch zukünftige Folgen von “Mein Medien-Menü” nicht verpassen will, sollte den RSS-Feed abonnieren oder mir auf Twitter folgen.

Vielen Dank an “The Atlantic Wire” für das wundervolle Format (dort heißt es “What I Read”). Wer Vorschläge hat, wer in dieser wöchentlichen Rubrik auch einmal zu Wort kommen und seine Lieblingsmedien vorstellen und empfehlen sollte, kann mir gerne schreiben.

Disclosure: Mit vielen der Menschen, die hier in “Was ich lese” ihre Mediengewohnheiten vorstellen (werden), bin ich befreundet oder zumindest leidlich bekannt.

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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2 Reader Comments

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  1. Nasendackel sagt:

    Ja, der Jürgen. Ruhepol im Bloggernetz. Les ich immer gerne!

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