In der Reihe “Mein Medien-Menü” stellen interessante Menschen ihre Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten vor. Ihre Lieblingsautoren, die wichtigsten Webseiten, tollsten Magazine, Zeitungen und Radiosendungen – aber auch nützliche Apps und Werkzeuge, um in der immer größeren Menge von Informationen, den Überblick zu behalten und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Jeden Montag also ein neues Medien-Menü. Diese Woche: die Berliner Autorin Lisa Seelig.
Wie informierst du dich morgens als erstes?
Radio hören in der Küche (radioeins) und im Badezimmer. Weil ich zu faul bin, mal was anderes einzuspeichern, läuft im Bad seit ewigen Zeiten „Inforadio“ vom rbb. Dabei mag ich Deutschlandradio Kultur lieber, das läuft beim Autofahren.
Welche Zeitungen / Magazine hast du im Abo oder liest du regelmäßig?
Vor einigen Wochen haben wir unser seit Steinzeiten bestehendes „Süddeutsche Zeitung“-Abo gekündigt, weil wir dachen, dass wir ja auch mal irgendwo anfangen müssen zu sparen. Seitdem kauft mein Mann die „SZ“ jeden Tag beim Kiosk nebenan. Vielleicht keine so tolle Idee gewesen, das mit der Kündigung.
Nicht immer ganz regelmäßig, aber immer wieder lese ich Zeit, Spiegel, dummy, Gala, 11Freunde und Nido. Und chrismon – liegt immer irgendwo bei und ich mag es – vor allem die manchmal sehr guten Gesellschafts- und Sozialreportagen und die Doppelinterviews.
Was liest du auf Reisen?
Dummerweise: Oft Spiegel, Bild, FAS oder Süddeutsche, weil ich irgendwie immer mit Menschen unterwegs bin, die meinen, ohne eine drei Tage alte deutsche Tageszeitung im Urlaub nicht glücklich sein zu können und daher sämtliche Kioskbesitzer von Castiglioncello bis Teheran mit ihren Sonderwünschen belästigen. Ich kann es dann immer nicht lassen und muss auch mal reinschauen.
Meistens überlege ich mir vor einer Reise sehr akribisch, welche zwei, drei Romane ich lesen will und die lese ich dann auch. Und wenn ich der Sprache mächtig sein sollte, die lokalen Zeitungen.
Welche Nachrichtenseiten im Netz sind Dir wichtig?
Naja, wichtig nicht so richtig, aber ich lese (oder besser: überfliege) meistens Spiegel Online, weil ich da nicht so originell bin, und ZEIT Online (weil man dort auch viele Geschichten aus dem Magazin lesen kann).
Welche Blogs liest du?
Das von Wolfgang Herrndorf und solche, die Leute schreiben, die ich kenne und prima finde, zum Beispiel „Ende der Märchenstunde“ von Kathrin Hartmann. Und für manchmal was Schönes: „Cute Overload“ . Mein Mann nötigt mich jeden Abend, mindestens ein Video auf „Schlecky Silberstein“ (früher Spiegel Offline) anzugucken. Und ein paar Kochblogs lese ich, zum Beispiel „delicious days“.
Welche Art von Büchern liest du am liebsten?
Romane. Und Biografien von Leuten, die womöglich besser keine geschrieben hätten.
Welches Buch hat dich in letzter Zeit am meisten beeindruckt?
Vielleicht „The Imperfectionists“ von Tom Rachman – müsste Beklemmungen auslösen bei jedem, der sich zumindest einen Hauch von ironischer Distanz zu seinem Beruf als Journalist erhalten hat. Und dabei so lustig! Und „The Upright Piano Player“ – der Autor, David Abbott, war Werber und hat in Rente seinen ersten Roman geschrieben – einen sehr bewegenden.
Wie viel liest du auf dem Smartphone oder Tablet?
Eine unbequeme Wahrheit: Das im Haushalt vorhandene iPad wird vom ebenfalls im Haushalt vorhandenen Kleinkind (14 Monate) virtuoser genutzt (Malprogramm) als von mir (ab und zu Emails lesen) – das muss und das wird sich ändern.
Welche Rolle spielen Leseempfehlungen/Links durch Soziale Netzwerke?
Tatsächlich folge ich oft den Leseempfehlungen und Links meiner Facebook-Freunde zu Artikeln, Musik, Youtubevideos … ganz viele dieser Facebook-Freunde haben wirklich einen ganz ausgezeichneten Geschmack!
Gibt es tägliche oder wöchentliche Leserituale?
Im Moment habe ich kein Büro, sondern arbeite von früh bis mittags im Café. Eine halbe Stunde lang habe ich von mir selbst die Erlaubnis zu lesen, bevor ich mit dem Schreiben anfangen muss. Also raffe ich Spiegel, Gala, Bunte, Nido und so weiter an mich und lese so schnell ich kann.
Wer sind deine Lieblingsautoren (Buch, Zeitung, Magazin)?
In der Zeitung mag ich die Texte von Alex Rühle, Peter Richter, Anita und Marian Blasberg, das sind nur ein paar von ganz vielen….und die von Harald Martensein – nicht nur die Kolumnen, sondern besonders auch seine Reportagen und Essays. Die Texte von Marc Fischer habe ich immer sehr, sehr gern gelesen.
Bei Büchern: Ganz schön schwierig, aber vielleicht Philip Roth? Alles was ich von ihm gelesen habe hat mich ganz schön beeindruckt zurückgelassen. Auch die Bücher von Ian McEwan mag ich sehr. Und Martin Suter, weil ich es faszinierend finde, wie unglaublich viel Spaß es macht, seine Bücher zu lesen.
Hast du einen Lieblings-Podcast?
Podcasts höre ich am ehesten beim Joggen: Gern die „Hörbar Rust“ (radioeins), wenn der Gast mich interessiert. Wobei zurzeit die Sache mit dem Joggen nicht ganz rund läuft…
Gibt es eine Radio- oder Fernsehsendung, die du möglichst nie verpasst?
Samstags die Sportschau. Aber nur, wenn die Bayern gewonnen haben. Verpasse ich also so gut wie nie.
Wie haben sich deine Lesegewohnheiten in den letzten Jahren geändert?
Früher, als Studentin und besonders an der Journalistenschule, habe ich die Süddeutsche und den Spiegel regelrecht durchpflügt und eingesaugt. Damals hatte ich noch Stapel ungelesener SZ-Ausgaben zu Hause, die ich erst wegwerfen durfte, nachdem ich sie zumindest komplett durchgeblättert hatte, alles andere hätte mein schlechtes Gewissen nicht verkraftet. Dieser Eifer ist ganz klar verschwunden; vor allem seit es das Kind gibt, ist die Sache eh hoffnungslos.
Irgendetwas, das ich vergesse habe, du aber trotzdem gerne liest?
Userkommentare und gemeine Kundenmeinungen bei amazon, auch die unter meinen eigenen Büchern. Bin natürlich jedes Mal hoch beleidigt, ist manchmal aber auch wirklich lustig („Finger weg von diesem Teufelszeug!!“).
Außerdem lese ich gern in allen möglichen Foren die unglaublich selbstgerechten, missgünstigen und sachlich falschen Kommentare von fürchterlichen Usern („Sorry, aber mit einem Jahr gehört ein Kind zur Mami und NICHT in eine Kita – und sowas schimpft sich Mutter:(!!!!“) – hier bekomme ich viele schöne Anregungen für meine Arbeit. Außerdem: Postkarten und Briefe von früher, Einträge in den Gästebüchern in Ausstellungen und Ferienhäusern. Und neuerdings meine alten Kinderbücher, zum Beispiel von Tomi Ungerer und Leo Lionni.
Lisa Seelig arbeitet als Journalistin und Autorin und lebt in Berlin. Sie war Redakteurin bei Neon Online und arbeitete für Vanity Fair, heute schreibt sie manchmal für Zeitungen und Magazine und öfters Bücher: Die Hochzeitskolumne ihres Alter Ego Theresa Selig erschien 2010 als Buch („Wer Ja sagt, muss auch Onkel Horst einladen„). 2011 folgte das „Lexikon der Jugendsünden“, 2012 „Sorry, hier sitzt schon meine Tasche“ (beide zusammen mit Elena Senft).
Foto: Andreas Labes
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Vielen Dank an “The Atlantic Wire” für das wundervolle Format (dort heißt es “What I Read”). Wer Vorschläge hat, wer in dieser wöchentlichen Rubrik auch einmal zu Wort kommen und seine Lieblingsmedien vorstellen und empfehlen sollte, kann mir gerne schreiben.
Offenlegung: Mit einigen der Menschen, die hier in “Was ich lese” ihre Mediengewohnheiten vorstellen, bin ich befreundet.