In der Reihe “Mein Medien-Menü” stellen interessante Menschen ihre Lese-, Seh- und Hörgewohnheiten vor. Ihre Lieblingsautoren, die wichtigsten Webseiten, tollsten Magazine, Zeitungen und Radiosendungen – aber auch nützliche Apps und Werkzeuge, um in der immer größeren Menge von Informationen den Überblick zu behalten und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Jeden Montag also ein neues Medien-Menü. Diese Woche: die journalistische Allzweckwaffe Christian Fahrenbach.
Wie informierst du dich morgens als erstes?
Da bin ich ein wenig kauzig, stelle den Wecker auf Fünf-vor-volle-Stunde und höre dann in der Halbdämmerung Deutschlandfunk. Immer wieder schön, sich auszumalen, wie Westerwelle und Co. morgens um halb sieben auf dem Badewannenrand Interviews geben.
Welche Zeitungen / Magazine hast du im Abo oder liest du regelmäßig?
Die Zeit auf dem Kindle, wobei ich mich über deren Mittvierziger-Flausch-Lebenswelt-Themen immer mehr ärgere (aber das zu schreiben, ist ja auch längst ein Klischee), die Süddeutsche im Print-Abo, vor allem wegen Seite 3 und im Moment gerade mal wieder zehn Wochen lang die taz, deren Konzept mit viel Exklusivem und Meinung mich als Zweitzeitung mehr und mehr überzeugt.
Ansonsten brand eins, Dummy, häufiger mal die US-Vanity Fair und auch die Psychologie Heute lese ich von Zeit zu Zeit ganz gern. Absolut empfehlenswert schließlich, falls einem die Welt mal wieder zu kompliziert wird: Ein Heft von Stiftung Warentest und zwei, drei Gläser Rotwein. Danach schaut das Leben wieder ein wenig ordentlicher aus.
Was liest du auf Reisen?
Seitdem ich mit 14 im sehr langweiligen Frankreichaustausch kein Buch dabei hatte, bin ich tief traumatisiert und schleppe auch bei U-Bahn-Fahrten eine Hemingway’sche Kofferbibliothek mit mir durch die Gegend, meistens mindestens ein Roman, ein Sachbuch und irgendwas zum Job.
Ein paar Zeitungen habe ich auf Reisen auch immer dabei, genauso den Kindle. Vor längeren Zugfahrten kaufe ich gerne mal die Monocle, in der ich zwar kaum etwas über hippe Inneneinrichtung in schweizer Chalets und japanischen Ledermanufakturen zu Ende lese, die ich trotzdem so ein angenehmes „Ich gönn‘ mir was“-Gefühl auslöst. Auch deren Webradio ist ganz fein.
Welche Nachrichtenseiten im Netz sind Dir wichtig?
Mir gefällt das hintergründigere und einordnendere Konzept von Tagesschau.de und Zeit.de besser als die plärrige Konkurrenz. Die reine Nachricht ist ja viel zu oft nur ein Angst-Quatsch oder Zeug, das morgen schon wieder total unwichtig ist. Bei den US-Seiten stöbere ich gern bei der New York Times, verliere mich bei Fivethirtyeight oder Real Clear Politics und beim Atlantic.
Welche Blogs liest du?
In der Regel mag ich die persönlichen Blogs am liebsten: Seit einigen Monaten bin ich aus mindestens drei Gründen total begeistert von Buddenbohms Herzdamengeschichten. Fein sortierte Leseempfehlungen zu Wirtschaftsstorys, tolle Links zu anderen lesenswerten Blogtexten und immer wieder sehr Liebenswertes über die Kinder.
Darüber bin ich auch auf das fantastische Geschichtsblog aufmerksam geworden. Dort gibt’s sehr angenehm geschriebene Abrisse geschichtlicher Zusammenhänge, hochinteressant beispielsweise der Dreiteiler über die Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten. Fühlt sich sehr befriedigend an, dort mal eine Stunde zu vertändeln.
Wegen Kinofilmen bin ich vor sicher zehn Jahren auf Anke Gröner aufmerksam geworden, bewundere ihre Blog-Disziplin und finde es seitdem immer wieder erhellend, nebenbei wird man Übrigen zum Kino-, Golf-, Koch-, Kunst- und Gomez-Experten. Früher hat zudem Else Buschheuer sehr viel zu meinem New-York-Bild und Filmgeschmack beigetragen. Großartig auch das Blog von Antje Schrupp, die ohne Schaum vor dem Mund mein Bild von Gleichberechtigung sehr viel differenzierter hat werden lassen.
Was ist wichtige berufliche Lektüre für dich?
Ach, berufliche Lektüre. Wir machen doch alle dieses Selbstverwirklichungsdingens, wo sich beruflich und privat total dufte vermischt. Wenn es um reine Branchenblätter geht, finde ich das medium magazin sehr viel gelungener als die Gewerkschafts-Blätter.
Welche Art von Büchern liest du am liebsten (Sachbücher, Fiction, Biografien)?
Querbeet (blöde Antwort, ich weiß), aber meistens lese ich ein leichtes Fiction-Buch zum Kopf durchpusten, ein etwas schwereres, ein Sachbuch und ein Job-Buch parallel. Viel weiter kann ich das nicht eingrenzen. Über eine kleine Schwäche für fiese Tschakka-Ratgeber möchte ich hier nicht weiter schreiben, kann aber gerne in 1:1-Beratung Empfehlungen aussprechen. Ich kenne alle.
Welches Buch hat dich in letzter Zeit am meisten beeindruckt?
In der Belletristik fand ich zuletzt „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ gut, wenn auch ein wenig konstruiert. Am häufigsten in den letzten zwei Jahren verschenkt habe ich Leif Randts „Schimmernder Dunst über Coby County„, weil es eine so fantastische Sprache hat, großartig den ständigen Zwang zur peergroupakzeptierten Haltung beschreibt und endlich mal eine Geschichte über Endzwanziger-Medienmenschen erzählt, in der am Ende nicht eine Frau ums Eck kommt und der Protagonist „lernt, was wirklich zählt im Leben.“ (Klappentext aller dieser Bücher, ever.)
In der Non-Fiction stecke ich gerade mitten in „Arrival City„, einer sehr spannenden Geschichte zum Hintergrund moderner Städte und „Warum Nationen scheitern“ schaut mich vom Bücherstapel auch schon sehr vorwurfsvoll an.
In Job-Richtung empfehle ich als Schreibratgeber das österreichische „Das Schreibseminar“ von Andrea Fehringer und Thomas Köpf und „Frei Geschrieben„, weil beide hübsch handwerklich den Schreibprozess entzaubern ohne den Zeigefinger zu sehr zu heben.
Welche Apps/Tools/Programme helfen dir, informiert zu bleiben?
RSS-Reader-Zeugs habe ich immer mal wieder probiert, das quillt dann aber alles viel zu schnell über, so dass ich doch wieder auf das Absurfen einiger Stammseiten und zum selektiven Lesen von Twitter-Empfehlungen zurückgreife. Als Merkhilfe nutze ich da entweder den Twitter-Fave und Pocket.
Noch wichtiger ist für mich in jüngster Zeit aber SelfControl geworden, ein kleines Programm, das für einen frei einstellbaren Zeitraum eine Liste an Webseiten sperrt, rebooten zwecklos. Im Grunde ist es ja lächerlich, eine Aufmerksamkeitsspanne wie ein Elfjähriger zu haben, aber das Ding wirkt Wunder in Sachen Konzentration.
Wie viel liest du auf dem Smartphone, Tablet, o.ä.?
Auf dem Handy versuche ich, dem Nachrichten-Stakkato aus dem Weg zu gehen und habe nur noch die Tagesschau-App installiert. Ohne U-Bahn-Smartphone-Check-Manie bleibt eher Zeit, um längere Stücke zu lesen, dafür habe ich dann wiederum Pocket auf dem Smartphone. Auf dem Kindle Paperwhite lese ich die Zeit und auch einige Bücher. Ich bin überrascht, wie schnell man vergisst, ein Gadget in der Hand zu halten, allerdings war das beim unbeleuchteten Kindle noch eine Spur besser. Am Tablet kann ich mich selten zum Lesen längerer Texte durchringen.
Welche Rolle spielen Leseempfehlungen/Links durch Soziale Netzwerke?
Twitter spielt eine sehr viel größere Rolle als Facebook, das für mich selten mehr ist als ein virtuelles Adressbuch mit Chat-Zerstreuungsfunktion. Gerade bei Twitter merke ich aber, dass mich die üblichen Erregungszyklen nerven und es ganz gut tut, die Plattform auch mal zu schließen. Andererseits sind gerade bei Entertainment-Events kaum Besseres als das virtuelle Lästerlagerfeuer (herrlich, solche Formulierungen mal schreiben zu dürfen).
Wer sind deine Lieblingsautoren (Buch, Zeitung, Magazin)?
Da mag ich die üblichen Verdächtigen, nehme ich an: Nils Minkmar in der FAZ, Henning Sußebach in der Zeit, Klaus Brinkbäumer ab und an im Spiegel. Und ich lasse mir von niemandem lieber die Laune verderben als von Sibylle Bergs Blick auf die Menschen und unser aller düstere Zukunft.
Gibt es eine Radio- oder Fernsehsendung, die du möglichst nie verpasst?
Inzwischen gibt es dank Mediatheken keine festen Sendungen mehr in meinem Alltag. Ich schau aber wenn ich zuhause bin als braver Deutscher natürlich um 20 Uhr die Tagesschau. Bei den Talkshows finde ich (ein wenig abhängig von den Gästen) den Presseclub am angenehmsten, weil dort die Teilnehmer keine eigene Agenda mitbringen. Tatort und Jauch am Sonntagabend sind mir zu masochistisch, das hat immer sowas von „Leute, die Woche wird mies und hier seht ihr es schon heute!“
Ja, ach und serientechnisch gibt’s immer Binge Watching der jeweils aktuellsten Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Größere Identifikationsprobleme hatte ich auf jeden Fall bei West Wing, wobei es immer ein wenig unangenehm ist, mit Freunden beim Bier zu sitzen und zu denken: „Ha! Das hätte Josh jetzt auch witzig gefunden!“. Zuletzt war ich zudem schwer angetan von House of Cards.
Hast du einen Lieblings-Podcast?
Nein, das nicht, aber ich checke immer mal wieder die neuen TED-Talks. Dazu höre ich ab und an die Hörbar Rust von Radio Eins und bewundere, wie gut sie sich auf ihre Gäste vorbereitet. Nett auch immer wieder „A Prairie Home Companion„, die aus Altmans „Last Radio Show“ bekannte Country-Live-Radiosendung aus den USA, in der sogar die Werbung noch live vorgelesen wird.
Wie haben sich deine Lesegewohnheiten in den letzten Jahren geändert?
Momentan versuche ich wieder einmal, meinen Medienkonsum gehaltvoller zu gestalten, weg vom täglichen News-Kleinklein hin zu mehr Analyse und Informationen, die bleiben. Allerdings kommen solche Aktionen immer wieder in Wellen und am Ende hänge ich dann bei großen Ereignissen doch Stunden vorm Fernseher, obwohl nichts Neues passiert. Falls da jemand mehr Erfolg hat, her mit Tipps in den Kommentaren!
Immer wichtiger werden für mich auch Empfehlungsaggregatoren wie Rotten Tomatoes oder Goodreads und Seiten wie krimi-couch.de. Natürlich sind die mit Vorsicht zu genießen, aber ein Verriss kommt in der Regel meinem Empfinden nahe genug als dass ich meine Zeit lieber für gut bewertete Werke verschwende.
Irgendetwas, das ich vergesse habe, du aber trotzdem gerne liest / siehst / hörst?
Eine absolut großartige Nerd-Empfehlung finde ich insidekino.de mit unzähligen Statistiken aus der Box-Office-Welt. Sehr detailliert und kenntnisreich.
Christian Fahrenbach ist freier Journalist und Seminarmensch in Stuttgart. In der Schreiberei vor allem für dpa tätig, bei den Seminaren neben Netzthemen für alle gerne vor jungen Erwachsenen, beispielsweise bei Journalisten-Workshops für FSJler und einer Kulturjournalismusvorlesung an der MHMK. Nach einem Vier-Wochen-Einsatz in New York, zur US-Wahl in Chicago und zwei Monaten als dpa-Korrespondent in Washington nimmt er jetzt Anlauf für ein längeres New-York-Zwischenspiel und liebäugelt schwer mit dem von Jeff Jarvis geleiteten Advanced Certificate Program in Entrepreneurial Journalism an der City University dort.
Foto: Rainer Möller
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Vielen Dank an “The Atlantic Wire” für das wundervolle Format (dort heißt es “What I Read”). Wer Vorschläge hat, wer in dieser wöchentlichen Rubrik auch einmal zu Wort kommen und seine Lieblingsmedien vorstellen und empfehlen sollte, kann mir gerne schreiben.
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