Softwareentwickler sind rar. Wer sie gewinnen will, muss lernen, ihre Sprache zu sprechen.
I. Prolog
Steve Jobs redete am Telefon nicht lange drumherum. „Wenn ihr auch nur eine einzige dieser Personen anheuert, bedeutet das Krieg“, warnte der damalige Apple-Chef am 17. Februar 2005 den Google-Mitgründer Sergey Brin. Auf keinen Fall wollte er das Entwicklerteam des Apple-Browsers Safari verlieren, das Google kurz zuvor umworben hatte. Die Drohung zeigte Wirkung. Und führte zu einem Deal der Konkurrenten. Drei Wochen später hatten sich Apple und Google auf einen umfassenden personellen Nichtangriffspakt geeinigt: Niemand würde mehr Programmierer des anderen abwerben.
Schnell traten andere dem Kartell bei, zuerst Adobe und Ebay, dann Intel, Intuit, Pixar und Lucasfilm. Bald teilten die Firmen sogar Gehaltsdaten miteinander, um die Personalkosten im Griff zu behalten. Ein Manager aus Googles Personalabteilung, der gegen die Abmachung verstieß und einem Apple-Programmierer ein Angebot machte, wurde 2007 binnen einer Stunde gefeuert. Und das, obwohl Eric Schmidt, der Chef von Google, genau wusste, wie illegal diese Absprachen waren: „Ich möchte keine Spuren hinterlassen, anhand derer wir später verklagt werden können“, schrieb er ausgerechnet in einer Mail an die damalige Personalchefin des Konzerns.
Genützt hat die Geheimniskrämerei wenig. Zu viele Mails gingen hin und her, zu viele Leute wussten von den „Hände-weg“-Listen: Am 24. September 2010 reichte das US-Justizministerium Kartellklage ein. Die Firmen verpflichteten sich daraufhin, die Absprachen in Zukunft zu unterlassen. In einer Sammelklage gehen gerade 64 000 Angestellte gegen die beteiligten Konzerne vor und fordern Entschädigung. In wenigen Monaten wird eine Einigung über eine Entschädigung in Höhe von 415 Millionen Dollar erwartet. Ursprünglich hatten die Kläger drei Milliarden gefordert. Durch die Absprache seien gefragte Software-Spezialisten um viel Geld gebracht worden.
Inzwischen sind gute Entwickler nicht nur im Silicon Valley rar. Sie fehlen weltweit, in allen Branchen. Der Grund: Fast jede Firma ist in den vergangenen Jahren zumindest zum Teil zu einem digitalen Unternehmen geworden – freiwillig oder unfreiwillig. Umsatzanteile wandern vom stationären Handel ins Netz. Ein Auto enthält mittlerweile so viel Software wie ein komplexes Computerspiel. Banken, Modehäuser, Zahnbürstenhersteller: Alle wollen eine eigene App. Firmen, in denen es vor ein paar Jahren noch genügte, dass eine Teilzeitkraft nach dem E-Mail-Server sieht, beschäftigen ganze Entwicklerteams.
Außerdem hat sich die Branche ausdifferenziert und spezialisiert. Gab es früher eine überschaubare Zahl an Fertigkeiten, so sind es heute unzählige. Frontend-Entwickler unterscheiden sich von Backend-Entwicklern, es gibt Data Engineers und UI- und UX-Experten für Nutzer-Interfaces und User Experience. Und immer häufiger braucht man aus verschiedenen Fachgebieten Leute. Doch das Angebot ist winzig: „Unsere Firmen suchen verzweifelt nach guten Mitarbeitern“, sagt Marc Andreessen, einer der weltweit wichtigsten Risikokapitalgeber, in einem Interview mit dem »New York Magazine«. „Sie liegen wie Fische auf dem Trockenen und schnappen nach Luft, weil sie es nicht schaffen, genügend gute Leute zu finden.“