Vor den Toren Berlins steht ein Labor voller Waschmaschinen. Hier wird die Zukunft der Sauberkeit erforscht – und selbst der Schmutz ist streng normiert.
Wenn der Konstrukteur Frank Kohlrusch und seine Kollegen gemeinsam in eine Waschmaschine klettern, müssen sie Filzpantoffeln anziehen. Denn die Waschmaschine gibt es in der Regel noch nicht. Sie ist nur eine 3D-Simulation – und der weiße Boden, auf den sie projiziert wird, sehr schmutzempfindlich. Mittels Virtual-Reality-Brillen kann sich das Team dann gemeinsam im Inneren des Prototyps umsehen. Kohlrusch kann seinen Kollegen Details vorführen, einzelne Bauteile per Klick einfärben oder herausnehmen – oder gemeinsam mit den Kollegen im sogenannten „Raketenmodus“ gemeinsam Schläuche entlangfliegen. Mit einem virtuellen Crashtest lässt sich sogar in 3D simulieren, was passiert, wenn die Waschmaschine in einem beliebigen Winkel aus einer beliebigen Höhe auf den Boden kracht. „Das ermöglicht uns, schon in diesem frühen Stadium zu fragen: Welche Schädigungsmechanismen können auftreten?“, erklärt Kohlrusch. „Wie können wir diese vermeiden? Hilft es zum Beispiel, an dieser einen Stelle das Material zu verstärken? Und das alles, lange bevor das erste Bauteil physisch existiert.“
Hier im „Technologiezentrum Wäschepflege“ der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH wird die Zukunft des Waschens erforscht – und seine Gegenwart optimiert. Rund 700 Menschen arbeiten in dem 2011 eröffneten, streng abgeschirmten Entwicklungslabor am Rande Berlins. Mit rund 10,5 Milliarden Euro Umsatz ist BSH, laut eigenen Angaben, der größte Haushaltsgerätehersteller Europas. Sieben Millionen Waschmaschinen und Trockner verkauft das Unternehmen pro Jahr weltweit. Nachdem vor etwa drei Jahren die Produktion ins brandenburgische Nauen verlegt wurde, konzentriert man sich in Berlin-Spandau nun ganz auf Forschung, Entwicklung und Qualitätssicherung. Das bedeutet brutale Dauertests und filigrane Schmutzanalyse – aber auch eine permanente Verringerung der Lautstärke, des Wasser- und des Stromverbrauchs.
Im sogenannten Waschlabor – dem Kernstück des siebenstöckigen raumschiffartigen Gebäudes – wird getestet, ob das, was in der 3D-Simulation gut aussah, auch wirklich sauber wäscht. Dabei wird absolut nichts dem Zufall überlassen: „Wenn Sie hier etwas finden, das nicht genormt ist, bekommen Sie einen Preis“, verspricht Kathrin Redlin, Entwicklungsingenieurin im Bereich Waschtechnik. Es gibt einen eigenen Wasseraufbereiter, um verschiedene Härtegrade simulieren zu können. Die Luftfeuchtigkeit wird konstant gehalten. „Feuchte Wäsche ist schwerer als trockene“, erklärt Redlin, „und für unsere Tests brauchen wir immer exakt acht Kilo Wäsche. Nicht mehr und nicht weniger.“
Sogar der Schmutz hat hier eine eigene Norm: DIN EN 60456. Eine Schweizer Firma stellt die Stoffläppchen her. Quadratische Felder werden jeweils mit Rotwein, Kakao, Hautfett, Blut und Ruß gleichmäßig beschmutzt und dann an einer exakt vorgeschriebenen Stelle auf die ebenfalls normierte Testwäsche aus Bettlaken und Handtüchern genäht. Nur, wenn die Testmaschine sie mindestens so sauber bekommt wie eine Normwaschmaschine mit dem tollen Namen „Wascator“, hat sie den Test bestanden. Falls nicht, können die unterschiedlichen Felder zumindest gleich Aufschluss darüber geben, wie man die Waschleistung verbessern kann. „Ist das Blutfeld nicht sauber geworden, hat Wasser gefehlt“, erklärt Redlin vereinfacht, „sieht man bei dem Rußfeld noch starke Flecken, stimmt etwas mit der Mechanik nicht.“ Waschen, das lernt man hier im Forschungszentrum als Erstes, besteht im Grunde aus vier Komponenten: Chemie (also Waschmittel), Mechanik (also der Reibung der Wäsche durch die Trommelbewegungen), Temperatur (also die berühmten 30, 60 oder 95 Grad) und der Zeit, welche die ersten drei Faktoren haben, um zu wirken. Wer ein Kurzprogramm verwendet, um Zeit zu sparen, muss in der Regel die Temperatur erhöhen, um eine vernünftige Waschleistung zu erzielen. Wer Strom und Wasser sparen will, verwendet in der Regel ein Ökoprogramm – das dann aber wiederum deutlich länger dauert.
Auch das Waschmittel stellt eine nicht unproblematische Variable dar: 95 Prozent der Befragten gaben in einer Studie an, mit den Dosierungsanleitungen überfordert zu sein. Eine halbe Waschladung, stark verschmutzt bei weichem Wasser macht eindreiviertel Verschlusskappen. Oder haben wir mittelhartes Wasser? Im Zweifelsfall wird meist noch ein Schwapp extra draufgeschüttet – viel hilft hoffentlich viel. Dabei ist genau das verkehrt. „Bei zu viel Waschmittel muss automatisch mehr gespült werden“, sagt Thomas Ludenia, der sich als Leiter der Basisentwicklung mit der Konsumentenseite befasst. „Das dauert länger und bedeutet höheren Wasser- und höheren Stromverbrauch, also höhere Kosten.“ Als eine der neuesten Entwicklungen der BSH-Ingenieure wurde deshalb iDos geboren, eine automatische Waschmitteldosierung. Bis zu zehn Sensoren überwachen in den neueren (und leider meist auch teureren) Modellen alles von Beladung und Wasserstand bis zur Trübung der Waschlauge und des ablaufenden Wassers. Das Waschmittel wird in eine Vorratskammer eingefüllt und dann nach Bedarf vom Gerät selbst zugegeben.
Auch andere Hersteller haben inzwischen eine solche Dosierautomatik, statt iDos heißt diese dann Dose-e oder Precision Dispense. Der Trend geht insgesamt zu einer immer stärkeren Automatisierung: Der Kunde soll sich weniger kümmern müssen, die Maschine selbstständiger erkennen, was gut für die Wäsche und schlecht für den Schmutz ist. Als nächsten großen Schritt kann man die Vernetzung der Waschmaschine erwarten: Menüsteuerung per Smartphone, neue Fleckenprogramme zum Download, solche Sachen. Im „Internet der Dinge“ könnte die vernetzte Waschmaschine selbst erkennen, wie hart das Wasser an ihrem Standort ist. Selbstständig nachbestellen, wenn das Waschmittel alle ist – oder die Flüssigkeit, mit der sich Outdoorkleidung im speziellen Imprägnierprogramm wieder wasserfest machen lässt.
Dass man vom Vorgang des Wäschewaschens so wenig wie möglich hört, dafür sind die Mitarbeiter der drei Akustiklabors im Haus zuständig. Die Wände der Räume sind mit schallschluckenden Platten abgehängt und ihre Fundamente vom Rest des Gebäudes entkoppelt, so dass keinerlei Schall oder Vibration von außen eindringen kann. Um die zu testende Maschine herum, hängen und stehen diverse Mikrofone. Manche haben die Form eines menschlichen Kopfs, mit Membranen in nachgebauten Ohrmuscheln – um das menschliche Hören perfekt zu simulieren. Seit 2011 müssen die Umweltlabel europäischer Waschmaschinen nicht nur ausweisen, wie viel Strom und Wasser das Gerät verbraucht, sondern auch wie viel Lärm es beim Waschen und Schleudern verursacht. Um diese Werte nach und nach zu verbessern, wurde hier in Berlin zum Beispiel ein bürstenloser und damit deutlich leiserer Elektromotor entwickelt.
Manchmal helfen aber auch schon Kleinigkeiten. So fand das Akustikteam beispielsweise heraus, dass sich die Schwingungen beim Schleudern verringern lassen, wenn man die Seitenwand der Maschinen mit großen, halbkreisförmigen Rillen versieht. Einer anderen Lärmquelle bei einem bestimmten Fabrikat kamen die Forscher mithilfe einer „akustischen Kamera“ auf die Schliche: Mittels unterschiedlicher Farben kann diese exakt zeigen, wo im Gerät ein Geräusch entsteht – in diesem Fall ein leises, aber unangenehmes Knacken, das anschließend ebenso unbarmherzig eliminiert wurde, wie ein Spinatfleck im Kochwaschgang. Manche Geräusche wiederum könnte man abschaffen – doch dann wäre der Kunde nicht zufrieden. So soll das einlaufende Wasser zwar angenehm klingen, muss dabei aber auch deutlich hörbar sein. Und nachdem sich zahlreiche Kunden beschwert hatten, dass sie aufgrund des immer weiter sinkenden Verbrauchs irgendwann gar kein Wasser mehr in der Trommel sahen, wurde der Zulauf so umgelenkt, dass das Wasser jetzt sichtbar und beruhigend über das Bullaugenglas der Tür in die Trommel plätschert.
Doch hier im Forschungszentrum wird nicht nur an der Zukunft des Waschens getüftelt. Auch bereits in Serie gegangene Geräte werden auf Motorenherz und Trommelnieren geprüft. Über 1000 Waschmaschinen und Trockner befinden sich Tag und Nacht im Dauertest. 1321 Waschgänge hat zum Beispiel ein bestimmtes Fabrikat der „iQ500“ schon hinter sich – seit Ende Mai läuft sie Tag und Nacht. Über 2000 Waschgänge müssen es insgesamt werden, jeder davon auf der höchsten Temperaturstufe, im längsten Programm, mit höchster Umdrehungszahl. Sieben bis acht Monate dauert diese Langzeitbelastung. „Wir muten den Geräten schon einiges zu“, sagt Christian Magin, Mitarbeiter des Prüfzentrums. „Schließlich sollen sie ja auch beim Kunden über viele Jahre hinweg fehlerfrei funktionieren. Jede Unregelmäßigkeit wird dabei erfasst und am Ende werden die Geräte zerlegt und es wird noch einmal analysiert, wie gut ihr Innenleben die Strapazen überstanden hat.“
Neben den mehrmonatigen Dauerläufen werden auch noch internationale Besonderheiten getestet. Dabei werden Waschmaschinen beispielsweise mit einer künstlich erzeugten, flackernden Netzspannung betrieben, wie man sie in Entwicklungsländern antrifft. Oder mit Wäsche beladen, die hier selten, aber anderswo alltäglich ist. „Indische Saris zu Beispiel dürfen sich beim Waschen nicht zu einer endlosen Wurst eindrehen“, erklärt Waschexpertin Redlin. „Gleichzeitig werden dort oft sehr aggressive Waschmittel verwendet. Mit alldem muss die Maschine klarkommen.“
Überhaupt sind die Waschgewohnheiten unterschiedlicher, als man annehmen würde: In China wird Babykleidung getrennt von der Kleidung Erwachsener gewaschen. Und auch Männer und Frauen bekommen ihren eigenen Waschgang – falls möglich sogar in separaten Waschmaschinen. Der Durchschnittsspanier wäscht gerne kalt und greift dafür deutlich öfter zum Weichspüler. In den USA sind Toplader und Kurzprogramm beliebt, in Griechenland schwört man hingegen nach wie vor auf den Kochwaschgang. Nicht einmal beim Waschmaschinenbau gelten die gleichen Regeln: Während die europäischen Hersteller wie beschrieben Betttücher mit Fleckenstreifen benähen, die in Schweizer Handarbeit mit Rotwein, Ruß und Blut beschmutzt wurden, benutzen australische Firmen gänzlich andere Testwäsche: Dort müssen sich neue Maschinen an großen weißen Männerunterhosen beweisen.
Wäsche-Tipps
Waschmittel
Nicht mehr benutzen als die Dosieranleitung empfiehlt, sonst steigt der Wasser- und Energieverbrauch. Auch die Wasch mittel haben sich verbessert und waschen inzwischen auch bei niedrigen Temperaturen extrem sauber.
Sonderprogramme
Was manch einer für überflüssigen Schnickschnack hält, hat durchaus seinen Sinn. Hemdenprogramme beispielsweise schleudern wenig, um Falten und damit den Bügelzwang zu vermeiden. Ein spezielles Fleckenprogramm wie „Blut“ hingegen sorgt dafür, dass der Fleck erst einmal lange kalt gespült wird, bevor das Wasser erhitzt wird – weil sonst das Blut gerinnt und schwerer löslich ist.
Entweder oder
Man hat die Wahl – schnell oder ökologisch. Beides geht nicht. Sparprogramme, die wenig Wasser und Strom brauchen, dauern sehr lang, Kurzprogramme sind dafür nicht sehr sparsam.
Vorsicht mit Curry
„Wenn man weiß, was es ist, verliert fast jeder Flecken seinen Schrecken“, sagt ein Wäscheprofi. „Außer Curry. Das ist wirklich ganz fies.“
Beladung
Ist die Maschine zu leer, fährt die Wäsche nur an der Trommelwand im Kreis, statt den Schmutz durch Reibung loszuwerden. Deshalb die Maschine lieber vollpacken, sodass gerade noch eine Hand hineinpasst. Hand vor dem Waschen natürlich wieder rausnehmen.