Vor der Jahrtausendwende zitterte die Menschheit vor dem Millennium-Fehler, Y2K-Bug genannt. Doch die Katastrophen blieben aus. War alles Panikmache? Oder ein Beispiel für kluge Vorausschau?
Bereits Ende der Fünfzigerjahre entwickelte der IBM-Mitarbeiter Robert Bemer eine Funktion, die Programmierern der damals populären Sprache Cobol erlaubte, entweder zwei- oder vierstellige Jahreszahlen zu verwenden. Üblich waren damals zweistellige, denn Speicherplatz war noch rar und teuer. Wenn man sich die ersten beiden Stellen einer Jahreszahl sparen konnte, umso besser. Das Problem: 241200 konnte entweder für den Weihnachtstag im Jahr 2000 oder im Jahr 1900 stehen. Bemer erkannte die Gefahr früh, die von dieser Verwechselungsmöglichkeit ausging, und beschwor die damals noch junge Computer- und Softwareindustrie, auf vierstellige Jahreszahlen umzusteigen.
Die meisten seiner Kollegen konnten sich jedoch nicht vorstellen, dass ihre Programme im Jahr 2000 noch im Einsatz sein würden. Was sie nicht berücksichtigten: Nicht jede Software wird von Grund auf neu geschrieben. Programme bauen oft aufeinander auf. Und ein Fehler kann sich somit auch in neuere Versionen fortpflanzen. Bis in die späten Sechzigerjahre versuchte Bemer immer wieder, in Washington Gehör zu finden. Doch das US-Verteidigungsministerium – damals Herr über mehr Computer als jede andere Organisation weltweit – winkte ab. Zu teuer, zu aufwendig, zu unnötig. Der unermüdliche Bemer bekam sogar den Wissenschaftsberater des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon dazu, diesem das Problem zu schildern. Nixon hörte zu – und bat dann darum, man möge lieber seinen Fernseher reparieren. Bemer musste sich darauf beschränken, seine Warnungen ab 1971 in kleinen Fachzeitschriften zu wiederholen. Richtig ernst nahm ihn niemand.
Das änderte sich in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts. Nun fiel einigen Experten auf, dass es zu Problemen kommen könnte, wenn Computer am 1.1.2000 plötzlich annehmen könnten, sie befänden sich im Jahr 1900. Was vorher heruntergespielt worden war, wuchs sich zu einer handfesten Panik aus: Nicht nur könnten Computer falsche Zeitspannen und Zinsen berechnen – und Hundertjährige, die 1900 geboren wurden, plötzlich zu Neugeborenen machen. Viele Rechenoperationen, so die Befürchtung, würden überhaupt nicht mehr durchgeführt. Sämtliche Computersysteme seien vom Zusammenbruch bedroht. Banken und Geldautomaten würden lahmgelegt, Kraftwerke seien in Gefahr, und sogar ein Atomkrieg könnte ausgelöst werden.