Ein Szenario.
Katalonien, Schottland, Quebec – die Liste der Regionen, die sich Unabhängigkeit wünschen, ist lang. Auch in Bayern spricht sich in Umfragen zwischen einem Viertel und einem Drittel der Bevölkerung für eine Loslösung von der Bundesrepublik Deutschland aus. Aber was passierte, wenn es tatsächlich zum „Bayxit“ käme?
Mit rund 12,8 Millionen Einwohnern liegt ein unabhängiges Bayern bei der Bevölkerung europaweit auf Platz 9, hinter den Niederlanden (17 Millionen), aber vor Belgien (11,3) und Griechenland (11,3). Ohne Bayern wäre die Fläche der Bundesrepublik knapp 20 Prozent kleiner. Bei der Wirtschaftskraft liegt Bayern mit einem Bruttoinlandsprodukt von 568 Milliarden Euro ungefähr auf Augenhöhe mit Argentinien – immerhin ein G-20-Mitglied. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 exportierten bayerische Unternehmen Waren im Wert von 160 Milliarden Euro, gegenüber einem Importwert von 149 Milliarden Euro.
Dass von dem erwirtschafteten Geld zu wenig im Freistaat bleibt, ist eines der Hauptargumente der Separatisten: Von den rund 100 Milliarden Euro, die die bayerischen Finanzämter 2015 eingenommen haben, fließt mehr als die Hälfte ab. Allein beim Länderfinanzausgleich 2016 zahlte Bayern mit 5,8 knapp 55 Prozent der insgesamt 10,6 Milliarden Euro. Aber Bayern kassiert auch: Etwa 130 000 Landwirte beziehen beispielsweise Agrarsubventionen von der Europäischen Union (EU) – im Schnitt machen diese mehr als 40 Prozent ihres Einkommens aus. Unsicher ist außerdem, ob Firmen wie Microsoft, Amazon oder IBM, die viel zum Wohlstand der Region beitragen, weiterhin ihre Deutschlandzentralen oder Entwicklungsstandorte in Bayern halten würden. In der Krise um die katalonischen Unabhängigkeitsbestrebungen haben beispielsweise bis Ende 2017 mehr als 2900 Firmen ihren juristischen Sitz aus der Region in andere Teile Spaniens verlagert – rund die Hälfte in die Hauptstadt Madrid.
Ob Bayern sämtliche Verträge und Mitgliedschaften (von EU bis Nato, von Freihandelsabkommen bis zu polizeilicher Zusammenarbeit) komplett neu aushandeln müsste, hängt vor allem davon ab, ob es sich bei der Loslösung um eine Sezession handelte oder um eine Trennung. Im letzteren Fall würden beide neue Staaten Rechtsnachfolger Deutschlands und könnten einen großen Teil der internationalen Verträge übernehmen. „Dafür wäre jedoch zum einen die Zustimmung der Bundesrepublik sowie aller anderen Partnerstaaten erforderlich“, sagt Christoph Möllers, Professor für Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie an der Berliner Humboldt-Universität. „Zum anderen müssten selbst in diesem Fall noch Hunderte von Dingen zwischen der BRD und Bayern ausgehandelt werden. Welche Rechte haben Deutsche in Bayern? Was passiert mit Bundeseigentum wie Straßen oder Bundesbehörden, die sich auf bayerischem Boden befinden?“ Eine Zustimmung der Partnerstaaten entweder zur Trennung oder im Falle einer Sezession zu einem schnellen Wiedereintritt in EU oder Nato könnte laut Möllers zudem schwierig werden: „Die meisten Nationen haben kein Interesse daran, eine Unabhängigkeit anderswo unkompliziert zu machen – allein um nicht die Separatisten im eigenen Land zu motivieren.“
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