Was ist Edge Computing? Wie funktionieren Duelling Neuronal Networks? Was kann die Blockchain wirklich? Auch in der digitalen Welt gibt es Moden und Trends, Entwicklungen und Hypes. Manche Technologien verschwinden so schnell wieder, wie sie hochgejubelt wurden. Andere bleiben. Und alle wüssten gerne, was als nächstes kommt, was wichtig wird. Ein Überblick über wichtige Digital-Technologien, die im Kommen sind – ohne Hype um „the next big thing“.
I. Edge Computing
Worum geht’s?
Die Zahl der vernetzten Geräte nimmt ebenso zu wie die Zahl der Sensoren, die in jedem der Geräte stecken und permanent Daten generieren. Je größer die Datenmengen sind, die im Internet der Dinge (Internet of Things / IoT) kursieren, desto sinnvoller kann es sein, sie nicht mehr weit weg auf zentral gesteuerten Servern zu verarbeiten, also in der Cloud, sondern direkt vor Ort. Dieses Konzept nennt sich – analog zum Cloud Computing – Edge Computing. Zweckmäßig ist es beispielsweise dort, wo keine gute Netzabdeckung vorhanden ist und ein Hochladen in die Cloud nicht ohne Weiteres möglich wäre. Etwa in der Landwirtschaft in abgelegenen Gegenden oder auf einer Offshore-Plattform.
Auf einer Ölplattform kann Edge Computing beispielsweise eingesetzt werden, um Druck-, Temperatur- oder Feuchtigkeitsdaten digital auszuwerten und bei Abweichungen, die auf einen drohenden Ausfall eines Motors oder Geräts hindeuten, vorzeitig Alarm zu schlagen. Dafür permanent alle Daten ans Festland zu funken wäre zu aufwendig. Die bisherige Lösung war aber auch nicht optimal – warten, bis etwas kaputtgeht und dann telefonisch mit Experten vom Festland auf Fehlersuche gehen. Eine stetige digitale Auswertung der Daten vor Ort kann jedoch Abweichungen aufspüren, die dem menschlichen Auge entgehen, heißt es bei Noble, einem britischen Betreiber von Bohrplattformen, der die Technik jetzt einsetzt.
Edge Computing bietet sich immer dann an, wenn eine schnelle Verarbeitung von Daten nötig ist. Intel schätzt, dass ein selbstfahrendes Auto, ausgestattet mit mehreren Hundert Sensoren, auf einer achtstündigen Fahrt insgesamt etwa 40 Terabyte Daten generiert und verbraucht. Da diese Daten sofort ausgewertet werden müssen, sind selbst Übertragungsverzögerungen (die sogenannte Latenz) von einigen Millisekunden bereits kritisch.
Edge Computing ist keineswegs als Ersatz für Cloud Computing zu verstehen, sondern als Ergänzung in bestimmten Anwendungsbereichen. Kein Wunder also, dass mit Amazon, Microsoft und Google die großen Cloud-Dienstleister inzwischen auch alle Edge-Lösungen anbieten. Google zeigt, wie dabei Hard- und Software ineinandergreifen können. Mit dem Edge TPU hat das Unternehmen einen Chip vorgestellt, der speziell auf Edge-Anwendungen im Internet der Dinge zugeschnitten ist und mit der Cloud-IoT-Edge-Software zusammenarbeitet. Das ermöglicht etwa, dass eine Logistikfirma Videoaufnahmen von ihren Verladedocks von einem selbstlernenden System analysieren lassen kann. Ohne die dafür nötigen immensen Datenmengen erst in die Cloud schicken zu müssen. Das lernende System wurde zwar in der Cloud gebaut und wird auch dort trainiert, analysiert die Aufnahmen der Sicherheitskameras aber direkt vor Ort.
Im Bereich Datensicherheit muss sich mit Edge Computing allerdings ebenfalls einiges ändern. Es ist zwar vorteilhaft, wenn sensible Daten nicht mehr zu einem Cloud-Server geschickt werden müssen. Dafür muss man nun aber auch Endgeräte, denen durch Speicherung und Verarbeitung der Daten eine höhere Relevanz für die Sicherheit zukommt, besser schützen und überprüfen werden.
Wer hat’s erfunden?
Schwer zu sagen, denn im Grunde wechseln sich zentralistische Konzepte (wie Cloud Computing) und dezentrale (wie Edge Computing) in der Geschichte der Informatik immer wieder ab. Für den aktuellen Boom sind vor allem die rapide gesunkenen Kosten für Sensoren verantwortlich. Und die Möglichkeit, immer mehr Rechenpower auch in kleinste Geräte vor Ort zu packen.
Wie funktioniert’s?
Statt der klassischen Client-Server-Struktur, bei der ständig Daten zwischen vielen Endgeräten und einem zentralen Server hin- und hergefunkt werden müssen, findet bei Edge Computing bereits eine Vorverarbeitung am Gerät oder Sensor statt.
Wer braucht’s?
Edge Computing ist immer dann sinnvoll, wenn man Daten vor Ort in Echtzeit verarbeiten will. Das ist bei selbstfahrenden Autos oder Virtual-Reality-Anwendungen wichtiger als bei einem Mülleimer, der gelegentlich meldet, wie voll er ist. Auch weit abgelegene Geräte und Sensoren mit schlechter Konnektivität, höhere Sicherheitsanforderungen und steigende Kosten können für Edge Computing sprechen.
II. Blockchain
Worum geht’s?
Es ist vor allem der Spekulationsblase um die Kryptowährung Bitcoin geschuldet, dass in den vergangenen zwei Jahren so gut wie jeder von Blockchain gehört hat. Das Prinzip klingt auch überzeugend: Blockchain ist ein dezentrales Verzeichnis, das alle daran Beteiligten fortschreiben – verschlüsselt, aber öffentlich einsehbar. Und das somit immun gegen Manipulation sowie unabhängig von Mittelsmännern ist. Mit der Blockchain-Technologie, sagen ihre Verfechter, ließe sich nicht nur das Bankensystem revolutionieren. Sondern auch Lieferketten, Krankenakten oder Versicherungen besser, sicherer und effektiver machen.
Das Problem: Von den vielen Visionen ließ sich bisher keine uneingeschränkt und in großem Stil in die Realität umsetzen. Stattdessen zeigten sich diverse Hürden. Dank der langen Datenketten und der zahlreichen Kopien, sind die Kapazitäten und Skalierungsmöglichkeiten begrenzt. Außerdem ist der Energie- und Rechenaufwand enorm. Das große Interesse an der Blockchain-Währung Bitcoin basierte auch nicht etwa darauf, dass sie sich als praktisches digitales Zahlungsmittel durchgesetzt hätte.
Im Gegenteil: Transaktionen können zu Stoßzeiten mehrere Stunden dauern, weil das Protokoll maximal sieben Transaktionen pro Sekunde ermöglicht. (Zum Vergleich: Visa verarbeitet im Durchschnitt mehr als 1700 Transaktionen pro Sekunde. Und hat nach eigenen Angaben Kapazitäten für 65 000 Transaktionen pro Sekunde.) Die Bitcoin-Euphorie, die den Kurs Ende 2017 auf mehr als 15 000 Euro schnellen ließ, fußte also nicht auf einem verbesserten digitalen Bezahlsystem. Sondern nur auf der Hoffnung, dass der Kurs immer weiter steigen würde. Was er nicht tat. Mit ihm brachen auch die Kurse von alternativen Blockchain-Währungen wie Ethereum oder Litecoin ein.
„Number go up“ – auf diesen Slogan für ewig steigende Kurse lasse sich die gesamte Bitcoin-Euphorie reduzieren, meint der Blockchain-Experte David Gerard. „Es gibt im Grunde nur drei Arten von Blockchain-Projekten“, sagt der Autor des Buches „Attack of the 50 Foot Blockchain“. „1. Die gescheiterten. 2. Einige wenige, die mit Gewalt in Position gebracht wurden und vielleicht nichts kaputt gemacht haben, aber auch nichts Nützliches leisten. 3. Die gescheiterten, die mit massiven Verlusten und Betrug einhergingen. Wirkliche Erfolge: null.“
Auch die Analyse von 43 Blockchain-Projekten durch die drei Entwicklungsforscher John Burg, Christine Murphy und Jean Paul Pétraud ergab keinen einzigen Erfolg: „Wir fanden eine Vielzahl von Pressemitteilungen, Whitepapers und überzeugend geschriebenen Artikeln“, erklärten die Forscher. „Was wir nicht fanden, waren hingegen eine Dokumentation oder Beweise, dass die Blockchain die behaupteten Ziele auch erreicht hätte.“ Direkte Nachfragen bei den jeweiligen Firmen oder Organisationen hätten ebenfalls nichts ergeben: „Niemand war gewillt, uns seine Ergebnisse zu zeigen (…). Obwohl sie sich transparente Prozesse und Abläufe auf die Fahnen geschrieben hat, bleibt die Branche selbst undurchsichtig.“ Projekte, die funktionieren, erweisen sich bei genauerem Hinsehen oft als schnöde Datenbanken. Auch Facebooks angekündigtem Libra-Projekt fehlen einige wichtige Eigenschaften einer echten Blockchain.
Das bedeutet natürlich nicht, dass sich Blockchain-Technologie nicht irgendwann tatsächlich sinnvoll einsetzen lassen wird. Doch bislang steht der Beweis, dass es sich nicht nur um ein theoretisches Konstrukt, sondern auch um eine praktikable, sinnvolle, sichere und skalierbare Lösung handelt, noch aus. Bei den größten Enthusiasten handelt es sich meist um Gründer von Blockchain-Firmen, Blockchain-Consultants, Investment-Plattformen oder Firmen, die mit Initial Coin Offerings (ICOs) Geld verdienen wollen. Unabhängige Experten sind fast immer skeptisch: „Den meisten Nutzen haben Blockchain-Pilotprojekte, wenn dadurch finanzielle Mittel für Datenbereinigung oder überhaupt für die Digitalisierung von Daten bereitgestellt werden“, sagt David Gerard. „Aber momentan liegen die Erfolge, die auch nur in die Nähe der Versprechungen kommen, noch in ferner Zukunft.“
Wer hat’s erfunden?
Der Bitcoin gilt als der Ursprung der Blockchain. Die Identität des Bitcoin-Erfinders oder der Erfindergruppe – Pseudonym Satoshi Nakamoto – konnte bis heute nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Wie funktioniert’s?
Der vielleicht einfachste Vergleich ist das sogenannte Kerbholz: Früher wurden Schulden oft mit Kerben in zwei nebeneinandergelegten Holzstücken gekennzeichnet, von denen eines der Schuldner und das andere der Gläubiger bekam. Keiner konnte an den Kerben etwas ändern, ohne dass die Manipulation beim nächsten Anschauen aufgefallen wäre.
Wer braucht’s?
Da die Technologie extrem vielseitig ist, ließe sie sich in zahllosen Bereichen einsetzen, im Grunde überall, wo Daten verwaltet werden. Doch dazu müsste sie erst einmal wirklich funktionieren.
III. Dueling Neural Networks
Worum geht’s?
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Foto: Alex Motoc / Unsplash