Nachhaltigkeit brummt. Selbst, ja gerade bei Beratern. Ist der Trend zu Sustainability Consulting, also Nachhaltigksitsberatung, ernst zu nehmen?
Flugscham, Fleischverzicht, Fridays for Future – Unternehmen können es sich kaum noch erlauben, die aktuelle Debatte um den Klimaschutz zu ignorieren. Auch faire Arbeitsbedingungen in Zuliefererfabriken oder transparente Lieferketten zählen zu den Forderungen, die Kunden, Investoren und mittlerweile auch die eigenen Mitarbeiter immer häufiger stellen. Das ist gut für die Umwelt, gut fürs Geschäft – und erhöht die Nachfrage nach Beratung: Der Bereich Sustainability Consulting oder Nachhaltigkeitsberatung ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen.
Am Anfang waren es vor allem kleine, spezialisierte Häuser, die auf das Thema setzten. So ermittelte eine Erhebung in den USA 2013 für fast 90 Prozent der Nachhaltigkeitsberatungen eine Belegschaft von 15 oder weniger Mitarbeitern. Bei knapp einem Drittel handelte es sich sogar um Einzelkämpfer. Inzwischen verfügen so gut wie alle großen internationalen Beratungen über eigene Abteilungen, die sich mit Nachhaltigkeit auskennen.
Manche, wie Deloitte, die im vergangenen Jahr- zehnt mehrere spezialisierte Beratungsboutiquen aufgekauft haben, sind durch Zukäufe gewachsen. Andere konnten ihre Expertise nach und nach selbst erweitern, Spezialisten abwerben oder Partnerschaften eingehen. Etwa die Boston Consulting Group (BCG), die mit der Sloan Management Review des Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine Forschungsgemeinschaft gebildet hat.
Sustainability Consulting wächst
Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) geht in seiner Studie „Facts & Figures zum Beratermarkt 2019“ von einem gegenwärtigen Wachstum von 4,6 Prozent für das Themenfeld „nachhaltiges Wirtschaften“ aus. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam vor knapp vier Jahren Verdantix, eine britische, auf Umwelt–, Sicherheits- und Qualitätsfragen spezialisierte Beratung; ihre Analysten sagten dem Bereich Nachhaltigkeitsberatung bis 2021 ein Wachstum von jährlich rund vier Prozent voraus.
Das ist solide, aber nicht exorbitant. Allerdings ist die Abgrenzung auch schwierig: Nachhaltigkeit ist von der Peripherie ins Zentrum gerückt und muss heute überall mitgedacht werden. Egal ob vorn „Strategie“ oder „Supply Chain“ draufsteht: Das Thema auszuklammern kann sich heute weder ein Unternehmen noch eine Unternehmensberatung leisten.
Auch wenn der eine oder andere Dienstleister sich das Thema vielleicht nur aus Berechnung auf die Fahne schreibt, wie mancher Kritiker vermutet – dem Großteil der Unternehmen ist es vermutlich durchaus ernst mit der Nachhaltigkeit. Und die Motivation hat sich mit den Jahren gewandelt, wie eine 2017 veröffentlichte Studie der Unternehmens- beratung McKinsey belegt. 2012 hatten noch 36 Prozent der befragten Unternehmer eine Steigerung der Effizienz als Treiber für ihr Engagement angegeben. 2017 waren nur noch 22 Prozent. Stattdessen sind es laut Umfrage zunehmend die Erwartungen von Investoren, Mitarbeitern und Kunden, die Unternehmen zu einem nachhaltigeren Handeln bewegten.
Den größten Zuwachs – von 30 (2012) auf 46 (2017) Prozent – verzeichnete die Studie bei der Aussage „Nachhaltigkeit passt zu unseren Zielen, unserer Mission und unseren Werten“. Strom sparen soll also nicht mehr nur der Firmenkasse dienen, sondern Sinn stiften.
Was bedeutet all das für die Beraterbranche? Wir haben uns umgehört.
Hauke Engel,
Partner in der Sustainability Practice von McKinsey in Frankfurt
„Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit. Bereits 2007 haben wir zusammen mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie die Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen untersucht. Insgesamt haben wir dafür 50 verschiedene Hebel analysiert: Welche Strategie zur Vermeidung einer Tonne CO2 bringt wie viel und kostet was? Auf der folgenden Klimakonferenz in Kopenhagen konnten wir dadurch helfen, die Diskussion mit einer Faktenbasis zu unterlegen. Seitdem ist die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit auf der Agenda von Topmanagern deutlich gewachsen und inzwischen Teil der Kernstrategie sehr vieler Unternehmen. Und wir als Berater haben mehr Möglichkeiten, Klienten in diesem Bereich zu unterstützen.
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Foto: Lukasz Szmigiel on Unsplash