In Deutschland leben rund 45 Millionen Christen – davon sind etwa 22 Millionen römisch-katholisch und 20 Millionen evangelisch. Es werden allerdings immer weniger: Pro Jahr treten aus beiden Kirchen jeweils bis zu 250 000 Menschen aus, hinzu kommt ein Mitgliederschwund durch mehr Sterbefälle als Taufen.
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Trotzdem stiegen die Einnahmen der Kirchen durch die Kirchensteuer bis vor der Corona-Krise Jahr für Jahr an: 2004 nahm die katholische Kirche mehr als 4 und die evangelische knapp 3,7 Milliarden Euro ein, 2019 waren es dann 6,8 Milliarden (katholische Kirche) und etwa 6 Milliarden Euro (evangelische Kirche). Wie kam es dazu? Und was wäre, wenn dieses Geld nicht mehr flösse? Wenn die Kirchensteuer abgeschafft würde?
Der Staat verdient mit
In Deutschland zieht der Staat diese Abgabe ein und verteilt sie je nach Konfession der Steuerzahler an die Kirchen. Die Steuer beträgt acht bis neun Prozent der zu zahlenden Einkommensteuer. Wegen der guten Konjunkturlage vor Corona stiegen die Einnahmen trotz sinkender Mitgliederzahlen. Derzeit zahlen Ledige mit Steuerklasse I und einem Bruttogehalt von 2000 Euro monatlich 15,12 Euro für die Kirche, bei 4000 Euro Gehalt 60,23 Euro. Der Staat erhält dafür, dass er die Steuer einzieht, rund drei Prozent der Summe. Im Jahr 2019 waren dies etwa 380 Millionen Euro. Obwohl er dann darauf verzichten müsste, würde er vom Wegfall der Kirchensteuer profitieren: Man kann sie in der Steuererklärung absetzen. Ginge das nicht mehr, nähme der Fiskus mehrere Milliarden zusätzlich ein.
Viele fürchten, dass die Kirchen ihre sozialen Aktivitäten ohne diese Mittel nicht mehr aufrechterhalten könnten. „Flüchtlingshilfe, Armenversorgung – für viele Menschen sind die katholische Caritas und die evangelische Diakonie die letzten Gründe, überhaupt noch in der Kirche zu bleiben“, sagt Thomas Schüller, Theologe und Kirchenrechtler an der Universität Münster. „Diese Wohlfahrtsverbände sind die letzten großen Glaubwürdigkeitsinstanzen – selbst die größten Kirchenkritiker finden gut, dass es die gibt.“
Die Verbände könnten aber auch ohne Kirchengelder auskommen: Beim Deutschen Caritasverband machten sie 2020 nur noch etwa sechs Prozent des Budgets aus. Rund die Hälfte stammte aus Zuschüssen des Bundes und der EU, ein Viertel aus Erbschaften und Spenden. Bei der evangelischen Diakonie ist es ähnlich. „Es fließen jedes Jahr weniger Kirchensteuermittel in die Wohlfahrtsverbände“, so Schüller.
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Text: Christoph Koch
Foto: Daniel Tseng / Unsplash