Freshfields, die älteste internationale Kanzlei der Welt, verjüngt sich. Vor drei Jahren wurde das Freshfields Lab gegründet, eine Keimzelle für Innovationen nach Start-up-Vorbild.
Die Büros renommierter Anwaltskanzleien sind in der Regel solide und repräsentativ eingerichtet. Mal sorgen massive Holzschreibtische für Gravitas, mal steht Marmor für Beständigkeit und Stabilität. In der Düsseldorfer Dependance der Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer im gediegenen Stadtteil Oberkassel signalisieren zahlreiche Kunstwerke an den Wänden den Klienten Erfolg. Es fährt sogar noch ein alter Paternoster in dem ansonsten komplett renovierten, modern wirkenden Gebäude der ehemaligen Feldmühle AG.
Der Kontrast dieser distinguierten Mahagoni- und Teppich-Welt zum Freshfields Lab in der Berliner Factory am Görlitzer Park könnte kaum größer sein: Hier sind die Heizkörper mit Europaletten verkleidet, es gibt ein Bällebad in der Größe eines Swimmingpools, eine Code University und Tischtennisplatten. Das Logo der im Jahr 2000 in London durch die Fusion dreier globaler Anwaltssozietäten begründeten Kanzlei mit weltweit mehr als 4000 Mitarbeitern, ein mit einem Speer bewaffneter Engel, ziert die Wände als Schablonen-Graffito.
Abstand zum Kanzlei-Setting
Anfang 2019 eröffnet, soll das Freshfields Lab die Zusammenarbeit zwischen Anwälten und IT-Experten fördern und neue digitale Lösungen für die Rechtsberatung entwickeln. Statt auf einen festen Personalstamm setzt die Kanzlei dabei auf ständig wechselnde interdisziplinäre Teams: „Da arbeiten Juristinnen mit Programmierern und Machine-Learning-Expertinnen zusammen“, beschreibt Gerrit Beckhaus, einer der beiden Leiter des Labs, das Vorgehen. Auch wenn sich mit der Zeit ein Kernteam herausgebildet habe, sehe kein Projektteam so aus wie das vorige.
Er selbst hat sich der neuen Arbeitswelt schon auf den ersten Blick angepasst: Statt Anzug und Krawatte trägt er Pullover und Turnschuhe. „Es ist erstaunlich, was für eine Wirkung es hat, wenn man raus ist aus dem Kanzlei-Setting“, sagt er. „Es bricht die Rollen auf und führt zu einem Hierarchieabbau, den wir vermutlich nicht hinbekommen hätten, wenn wir uns in einer Kanzlei getroffen hätten. Da gäbe es viel größere Berührungsängste – in beide Richtungen.“
Natürlich verweigern sich auch die Wettbewerber nicht der Digitalisierung: Die britische Kanzlei Linklaters etwa entwickelt ebenfalls eigene digitale Produkte für ihre Klienten, wenn die existierenden Lösungen nicht ausreichen, und setzt dabei auf Methoden wie Design Thinking. Der Beratungsriese Deloitte hat 2020 eine eigene Digital-Einheit gegründet, die vor allem den US-Markt für Rechts- beratung aufmischen soll.
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Text: Christoph Koch