Zweimal im Jahr brodelt die Volksseele zuverlässig: im März und im Oktober, wenn die Uhren umgestellt werden. Abschaffen sollte man das Hin und Her! Was wäre also, wenn es keine Zeitumstellung mehr gäbe?
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Eigentlich sollte das Ritual längst Geschichte sein. Denn 2019 stimmte das EU-Parlament dem Vorschlag der EU-Kommission zu, die Umstellung abzuschaffen. Vorangegangen war 2018 eine nicht repräsentative Online-Befragung in der EU, bei der sich 84 Prozent der 4,6 Millionen Befragten gegen den Wechsel zwischen Sommer- und Standardzeit aussprachen. Doch nun verweist die EU auf die Mitgliedsstaaten: „Ich kann Ihnen das sagen, was ich bereits vor sechs Monaten gesagt habe, als ich das wiederholte, was ich bereits weitere sechs Monate zuvor sagte“, stellte Kommissionssprecher Stefan de Keersmaecker 2021 fest. „Die Kommission hat 2018 ein Ende der Zeitumstellung beschlossen, und der Ball ist nun im Feld der Mitgliedsstaaten, die sich im Rat auf eine gemeinsame Position einigen müssen.“
Kaum Energieeinsparungen
Diese können sich jedoch nicht verständigen, ob nun dauerhaft Sommer- oder Standardzeit gelten soll. Bei dauerhafter Standardzeit würde es am 21. Juni in Warschau schon um 19.59 Uhr dunkel. Bei dauerhafter Sommerzeit würde in Madrid am 21. Dezember erst um 9.35 Uhr die Sonne aufgehen.
Gegner der Zeitumstellung argumentieren, dass ohne sie weniger künstliche Beleuchtung notwendig sei. Doch das ist längst nicht sicher: „Beim Stromverbrauch ist mit keinen allzu großen Auswirkungen zu rechnen, wenn man die Zeitumstellung abschafft“, sagt Peter Morici, Ökonom und emeritierter Professor der University of Maryland. „Benjamin Franklin schlug 1784 das erste Mal vor, die Uhren umzustellen, um Kerzen zu sparen. Damals mag sich das gelohnt haben, aber heutzutage wären die Ersparnisse minimal. Wir leben sowieso nicht mehr im zeitlichen Einklang mit der Sonne.“
Auch eine Studie aus dem Jahr 2008 im »Journal of Environmental Economics and Management« kommt zu dem Ergebnis, dass die permanente Sommerzeit keine signifikanten Einsparungen an Energie mit sich brächte. Andere Studien geben mal Einsparungen von 0,5 Prozent an, mal einen Mehrverbrauch von einem Prozent.
1974 hatten die USA schon einmal versucht, eine dauerhafte Sommerzeit einzuführen, damals anlässlich der Ölkrise. Doch die Bevölkerung fand keinen Gefallen daran, im Winter im Dunkeln zur Arbeit zu gehen. „Die Leute haben es zutiefst gehasst“, sagte David Prerau, Autor des Buchs „Seize the Daylight“ der »New York Times«.
Trotzdem will die US-Regierung die Zeitumstellung nun abermals abschaffen. Laut dem vom Senat im März 2022 einstimmig verabschiedeten „Sunshine Protection Act“ (Sonnenschein-Schutz-Gesetz) soll künftig nur noch die Sommerzeit gelten, was längere Sommerabende und mehr Tageslicht an Winternachmittagen bedeutet – aber auch einen späteren Sonnenaufgang.
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Text: Christoph Koch
Foto: Samantha Gades auf Unsplash
Das Problem ist doch eher, dass Frankreich, Spanien und Benelux die falsche Zeitzone anwenden. Diese Staaten müssten eigentlich die gleiche Zeit haben wie Großbritannien. Dann geht auch die Sonne nicht mehr so spät auf.