Die Digitalisierung könnte ein wirksames Instrument zur Bewältigung der Klimakrise sein. Doch Rechenzentren, Datenleitungen und smarte Geräte sind auch Teil des Problems.
„Bitte überlegen Sie, ob es wirklich nötig ist, diese Mail auszudrucken.“ So oder ähnlich steht es jeden Tag unter unzähligen E-Mails. Daneben prangt oft ein kleiner grüner Baum oder ein anderes Symbol für ökologische Korrektheit. Leuchtet auch erst mal ein: Für Ausdrucke werden Bäume gefällt, wird Papier durch die Gegend gefahren, und Toner oder Tinte müssen nachgefüllt werden. Alles schlecht für die Umwelt. Bleibt die E-Mail im Computer, werde die Umwelt davon nicht berührt, so die Annahme. Stimmt aber leider nicht. Unsere digitale Welt ist Schätzungen zufolge für etwa vier Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Beim Anteil an den klimaschädlichen Emissionen reichen die Schätzungen von 1,4 bis 3,9 Prozent. Also womöglich mehr als der Anteil des Flugverkehrs oder der Schifffahrt, die deutlich kritischer beäugt werden.
Wie kann man die Digitalisierung umweltfreundlich gestalten? Wie lässt sich verhindern, dass das berühmte Motto „Software is eating the world“ im negativen, wörtlichen Sinne wahr wird? „Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind zwei Megatrends, über die getrennt voneinander schon lange gesprochen wird. Aber erst seit Kurzem werden sie wirklich zusammengedacht“, sagt Stephan Ramesohl vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. „Die Bewältigung der Klimakrise wird nur gelingen, wenn wir die Digitalisierung als mächtiges Transformationswerkzeug nutzen. Dafür ist es aber unabdingbar, dass wir die digitale Welt selbst nachhaltig gestalten.“
Eines der größten Probleme sei, dass die Digitalisierung so immateriell erscheine, sagt Michelle Thorne, die sich für die gemeinnützige Mozilla-Stiftung mit dem Thema beschäftigt. „Man schickt eine Anfrage in die Cloud, und es kommen Suchergebnisse zurück, oder man bekommt den Wetterbericht gezeigt.“ Weil man zum Beispiel bei Internetrecherchen nicht mit Dingen hantiere, die hergestellt und entsorgt werden müssen, sei es schwer, ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass alles, was auf unseren Bildschirmen passiert, ökologische Auswirkungen hat.
Als Individuum jede Google-Suche zu hinterfragen sei aber keine Lösung – im Gegenteil: „Wir machen einen großen Fehler, wenn wir die Verantwortung auf die Nutzerinnen und Nutzer abwälzen und denen ein schlechtes Gewissen einreden, wenn sie ihre Lieblingsserie streamen“, sagt Thorne. „Stattdessen müssen wir über die großen Hebel sprechen. Und an diesen sitzen eine Handvoll Unternehmen, sowohl aus dem Tech-Sektor als auch aus der Energiewirtschaft.“
Mehr Transparenz wagen
Strom ist ein entscheidender Faktor in der digitalen Klimabilanz. Wäre das Internet eine Nation, hätte sie den weltweit sechstgrößten Verbrauch – vor Kanada. Strom wird an drei Stellen benötigt: von den Rechenzentren, der Netzinfrastruktur (Sendemasten, Router) und den Endgeräten. Letztere wurden in den vergangenen Jahren durch den Trend weg vom riesigen Desktop-Bildschirm hin zu kleineren Laptops, Tablets und Mobiltelefonen tendenziell sparsamer. Bei allem, was mit Akku läuft, bemühen sich die Hersteller um einen geringen Verbrauch – denn Geräte, denen schnell der Saft ausgeht, verkaufen sich schlecht. Der Energiebedarf der Rechenzentren nimmt dagegen kontinuierlich zu: Im Jahr 2021 verbrauchten die deutschen etwa 17 Terawattstunden – mehr als ganz Berlin jährlich an Strom benötigt. Fachleute rechnen mit 60 Prozent mehr Stromverbrauch durch Rechenzentren in den kommenden zehn Jahren.
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Text: Christoph Koch
Foto: Shahadat Rahman auf Unsplash