In Deutschland hat es beinahe Tradition, dass Oppositionsparteien eine Aufspaltung der Bahn fordern. Sind diese dann jedoch selbst in Regierungsverantwortung, ist das schnell vergessen. Aktuell setzen sich CDU/CSU für eine Trennung des Schienennetzes vom Zugverkehr ein. Und erstmals zeigt sich nun eine amtierende Regierung für den Vorschlag offen. Was wäre also, wenn man die Deutsche Bahn aufspaltete?
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Derzeit gliedert sich die Bahn grob in zwei Teile: DB Netz, DB Station & Service sowie DB Energie bilden die Infrastruktursparte; die Zugverkehrssparte gliedert sich in DB Fernverkehr, DB Regio und DB Cargo. Die Europäische Union fordert von ihren Mitgliedsstaaten seit 1991, Netz und Zugverkehr organisatorisch zu entflechten. „Vor allem weil es dadurch einfacher würde, die nationalen Schienennetze für ausländische Bahnen zu öffnen und so ein europäischer Bahnbinnenmarkt entstehen könnte“, sagt Matthias Gather, Professor für Verkehrspolitik und Direktor des Instituts Verkehr und Raum (IVR) an der Fachhochschule Erfurt.
Die Unionsparteien wollen eine strikte Trennung in zwei Organisationen. Die Regierung wiederum hat im Koalitionsvertrag eine Gesellschaft namens InfraGo angedacht, die gemeinwohlorientiert, aber unter dem Konzerndach Bahnnetze verwalten soll – Aufspaltung light gewissermaßen.
Es spricht vieles für eine Trennung: Eine separate Netzsparte könnte, statt gewinnorientiert zu arbeiten, staatlich finanziert werden – und vorausschauend in die Infrastruktur investieren.Auch der Wettbewerb auf der Schiene würde verbessert, da sich eine Netzbetreiberin, die gleichzeitig Züge auf diesem Netz fahren lässt, automatisch in einem Interessenkonflikt befindet. So wurde der Deutschen Bahn immer wieder vorgeworfen, Wettbewerber zu benachteiligen, zum Beispiel bei den sogenannten Trassenentgelten.
Angst vor Know-How-Verlust
Eine eigenständige Infrastrukturbetreiberin hätte auch in Staatshand vor allem ein Interesse daran, möglichst viel Verkehr auf die Schiene zu holen – egal ob von der Deutschen Bahn, einem privaten Konkurrenten oder der Bahngesellschaft eines Nachbarlandes. Nicht zuletzt könnte die Umwelt profitieren: „Eine gemeinwohlorientierte, autarke Netzgesellschaft hätte die vorrangige Aufgabe, ein stabiles, leistungsfähiges Eisenbahnnetz vorzuhalten“, sagt Matthias Gather. „Das würde auch bedeuten, dort Schienen und Bahnhöfe zu betreiben, wo es derzeit vielleicht noch keine riesige Nachfrage gibt, anstatt die Menschen dort zum Autofahren zu zwingen.“
Vom Bundesrechnungshof über die Monopolkommission bis zum Fahrgastverband Pro Bahn sprechen sich viele Organisationen für eine Aufspaltung aus. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Der Mobilitätsforscher Andreas Knie argumentiert, eine Trennung von Infrastruktur und Verkehr würde das Chaos noch verstärken, denn beide Systeme müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Der Verkehrspolitik-Experte Gather befürchtet, dass zumindest das Know-how verloren gehen könnte: „Betrieb und Infrastruktur hängen eng zusammen. Wer die Züge betreibt, weiß am besten, wie das Netz aussieht und was verbessert werden müsste.“
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Text: Christoph Koch
Foto: Charles Forerunner auf Unsplash