Kernfusion: So nah und doch so fern

Written by on 27/02/2024 in brand eins with 0 Comments

Das deutsch-amerikanische Start-up Focused Energy will einen Ansatz gefunden haben, aus dem Verschmelzen von Wasserstoffatomen große Mengen umweltfreundlicher Energie zu gewinnen – eines Tages. Bleibt das Wunschdenken? Oder führt dieser Weg in eine Zukunft mit Strom im Überfluss? Ein Gespräch mit dem Gründer und Physikprofessor Markus Roth über hohe Temperaturen, schnelle Laser und den großen Druck auf die Forschung.

Der Strombedarf der Welt wächst und wächst – auch aufgrund der Digitalisierung. Doch woher soll die viele Energie kommen? Fossile Brennstoffe sind klimaschädlich, Atomreaktoren risikobehaftet und zunehmend unrentabel. Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix wächst zwar seit Jahren stetig – weltweit liegt sein Anteil jedoch erst bei rund 30 Prozent. Zudem liefern Solar- und Windkraftanlagen nicht konstant Strom. Für Nächte, Schlechtwetterlagen und bei Windstille müssen große Energiemengen zwischengespeichert werden, wofür die Batteriekapazitäten bei Weitem noch nicht ausreichen.

Kein Wunder also, dass auch über die Kernfusion gesprochen wird. Denn die könnte, so die Hoffnung, das Beste aus allen Welten vereinen: klimafreundlich, risikoarm und unerschöpflich. Zudem wäre sie grundlasttauglich, böte also Leistung rund um die Uhr. Das Problem: Sie ist noch nicht praxistauglich. Seit den Fünfzigerjahren werden unterschiedliche Methoden erforscht (siehe Kasten), bislang mit überschaubarem Ergebnis. In der Energiebranche kursiert deshalb seit Langem ein Witz: Die Kernfusion liege höchstens noch 30 Jahre in der Zukunft – das allerdings für immer.

Herr Roth, können Sie solche Sprüche noch hören, wonach die Kernfusion wie eine Fata Morgana sei – immer scheint sie zum Greifen nah, um sich dann doch als Illusion zu entpuppen?

Na ja, das könnte man über fast jede große Innovation sagen. Die Mondlandung oder das Internet wurden bekanntlich auch nicht über Nacht vollbracht. Bei der Kernfusion braucht man schon einen besonders langen Atem, in der Tat. Aber bei einer so bahnbrechenden Technologie, die so viel verändern wird, finde ich das auch in Ordnung.

Was passiert bei einer Kernfusion – wird der Vorgang der Kernspaltung einfach nur umgedreht?

Ja und nein. Bei der Kernfusion werden zwar Atome verschmolzen, aber wir arbeiten mit ganz anderen Materialien als denen, die bei der Kernspaltung zum Einsatz kommen.Dort werden extrem schwere, radioaktive Elemente wie Uran, Thorium oder Plutonium gespalten, um daraus Energie zu gewinnen. Wir hingegen versuchen, ganz leichte Elemente zu verschmelzen, nämlich die beiden Wasserstoffvarianten Deuterium und Tritium. Wenn wir die verschmelzen, entsteht daraus ein Helium-Atom, und ein Neutron bleibt übrig. Das Großartige: Dabei wird eine große Menge Energie frei.

Und was macht diesen Vorgang so schwierig?

Die beiden Wasserstoff-Atome stoßen sich mit großer Kraft ab, so ähnlich wie zwei gleich gepolte Magnete. Um sie zu verschmelzen, müssen wir die beiden Atome mit sehr viel Wucht, also mit großem Energieaufwand, zusammenschubsen. Das geht, indem wir sehr hohe Temperaturen erzeugen – etwa 140 Millionen Grad. Das klingt viel, aber bei anderen Elementen als Wasserstoff bräuchten wir noch deutlich mehr.

Wie erzeugt man diese Hitze und diesen Druck?

Es gibt zwei unterschiedliche Ansätze. Eine Forschungsrichtung arbeitet mit Magneten.Diese Reaktormodelle sehen ein bisschen aus wie ein Donut. Wir finden die Form zum Beispiel beim internationalen Kooperationsprojekt ITER, das seit 2007 einen Versuchsreaktor in Frankreich baut. Wir bei Focused Energy jedoch arbeiten mit Lasern statt mit Magnetfeldern (siehe Kasten).

Wie muss man sich das vorstellen?

Wir nehmen ein Plasmakügelchen, etwa so groß wie ein Pfefferkorn, und drücken es mithilfe von modernen Lasern unheimlich stark zusammen, etwa auf ein Dreißigstel bis auf ein Vierzigstel. Und erst dann, wenn die Abstände zwischen den Atomen dadurch so viel kleiner geworden sind, heizen wir sie auf und setzen mit einem zweiten Laser einen Zündfunken. Also genau in der umgekehrten Reihenfolge wie bei den Magneten. Dort werden die Atome erst aufgeheizt und dann zusammengehalten. Bei der Lasermethode brauche ich die 140 Millionen Grad dadurch deutlich kürzer, und die bereits komprimierten Wasserstoff-Atome reagieren leichter.

National Lab, eine Einrichtung des US-Energieministeriums, die auch im militärischen Bereich tätig ist. Roth hat dort als Postdoktorand geforscht und war an der Entwicklung des Lasersystems beteiligt. Die Anlage, so groß wie drei Fußballfelder, hat im Dezember 2022 Schlagzeilen gemacht: Zum ersten Mal überhaupt, hieß es, sei dort eine Kernfusion gelungen, bei der mehr Energie herauskam, als vorher hineingesteckt wurde. Aus zwei Megajoule wurden etwas mehr als drei Megajoule. Allerdings: Um diese Laserstrahlen, die das Kügelchen gezündet haben, zu erzeugen, hat es tatsächlich rund hundertmal mehr Energie gebraucht, als am Ende herauskam. Man ist also noch weit davon entfernt, mit der Technologie Strom erzeugen zu können.

Mit dem einen gewonnenen Megajoule könnte man etwa zwei Liter Wasser kochen oder ein paar Stunden fernsehen. Das reicht noch nicht ganz für die Energiewende, oder?

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Foto: Daniele Levis Pelusi auf Unsplash

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About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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