Werbekampagnen für Preisjurys

Written by on 12/03/2024 in brand eins with 0 Comments

Mies bezahlte Praktika, ein Pitch nach dem anderen, die Versessenheit auf Auszeichnungen – in der Werbebranche läuft einiges schief. Die kleine kanadische Agentur Zulu Alpha Kilo macht mit Humor darauf aufmerksam.

Herr Mroueh, die Website Ihrer Agentur ist eine Parodie. Fiktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, angebliche patentierte „Super-Buzzwords“ und absurde Flussdiagramme. Schreckt das potenzielle Auftraggeber nicht ab?

Zak Mroueh: Ich würde eher sagen, dass unsere Internetpräsenz wie ein Filter funktioniert: Wer mit dieser Art von Humor nichts anfangen kann, der ist bei uns vielleicht auch nicht an der richtigen Adresse. Als ich die Agentur 2008 gegründet habe, hatte ich schon einige Jahre in verschiedenen Agenturen gearbeitet. Deren Webauftritte sahen alle gleich aus. Schwarze Kleidung, die Arme verschränkt, immer die gleichen Phrasen – nur die Logos waren verschieden. Ich wollte, dass meine Agentur ein bisschen anders ist.

Ist das auch Selbstschutz, um die Eigenheiten und Eitelkeiten der Werbebranche ertragen zu können?

Nein, ich liebe Werbung, und wenn wir uns über unsere Branche lustig machen, dann nehmen wir uns immer auch selbst auf den Arm. Mir ist es außerdem wichtig, dass wir uns nicht nur über ein paar kuriose Angewohnheiten von Werberinnen und Werbern mokieren. Wir versuchen auch, uns zu fragen, wie man es besser machen könnte.

Wie zum Beispiel?

In der Branche ist es üblich, Praktika nicht oder nur sehr schlecht zu vergüten. Der Nachwuchs lässt sich darauf ein, weil man oft nur so an Berufserfahrung kommt. Aber ist das fair? Wir haben deshalb eine Art Bewerbungswettbewerb entwickelt, den wir Employeeship nennen. Statt unbezahlter Praktika laden wir zwölf vielversprechende Absolventinnen und Absolventen zu einem Interview und Kreativitätsübungen ein. Die Veranstaltung dauert maximal sechs Stunden, die alle anständig bezahlt bekommen. Den besten zwei bieten wir eine einjährige Stelle mit 50 000 kanadischen Dollar (aktuell knapp 35 000 Euro) Jahresgehalt an. So hoffen wir, die besten Talente zu bekommen, ohne jemanden auszubeuten.

Eines Ihrer Videos zeigt eine fiktive Pressekonferenz, bei der Agenturen nach einem nicht gewonnenen Pitch befragt werden wie Sportler: „Woran hat es gelegen?“ oder „Was hätten Sie besser machen können?“ Was ist der Hintergrund?

Der Clip ist Teil unserer Kampagne „Say No To Spec“, die es seit 2015 gibt: Sag Nein zum Pitchen. Pitchen bedeutet, dass mehrere Agenturen in Vorleistung gehen und ohne Bezahlung kreative Arbeit abliefern – nur in der Hoffnung, vielleicht am Ende den Auftrag zu erhalten. In jeder anderen Branche würde ausgelacht, wer so etwas verlangen würde.

Noch dazu, weil nicht garantiert ist, dass immer der originellste Vorschlag gewinnt. Manchmal geht es am Ende vor allem um den niedrigsten Preis, oder?

Auch das kann vorkommen. Mein letzter Pitch war 2011. Wir hatten 120 000 US-Dollar (damals rund 86 000 Euro) für eine Kampagne aufgewendet, und der Kunde sagte uns, unsere Ideen hätten ihm am besten gefallen. Den Auftrag bekamen wir am Ende aber nicht, weil wir kein Büro in Montreal haben, und das wurde plötzlich als Voraussetzung genannt. Seitdem nehmen wir an keinen solchen Ausschreibungen mehr teil.
In den ersten Jahren hat uns das sicherlich mehrere Millionen Dollar Umsatz gekostet, aber inzwischen haben wir Kunden, die uns vertrauen und selber keine Lust mehr auf Spielchen haben, die alle Beteiligten viel Zeit, Geld und Nerven kosten. Aber auch hier wollten wir konstruktiv sein und haben mit Smarterpitch.com eine Website gebaut, die zeigt, wie man den Ausschreibungsprozess fairer sowie sinn- und respektvoller gestalten kann.

Was sind Ihre Vorschläge?

Weiterlesen auf brandeins.de
Screenshot: zulualphakilo.com

Tags: , , , , , , , , , ,

About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

Subscribe

If you enjoyed this article, subscribe now to receive more just like it.

Subscribe via RSS Feed

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Top

Entdecke mehr von Christoph Koch

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen