Wortgewaltig: DeepLs KI-Übersetzungen

Written by on 23/05/2024 in brand eins with 0 Comments

Die Übersetzungs-Software des Kölner Unternehmens DeepL ist seit der Gründung 2017 vom Geheimtipp zum Standard für viele geworden. Was lässt sich von der Firma lernen, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wird?

Zu den kleinen Urlaubsfreuden gehörten jahrzehntelang die ungelenken Übersetzungen mancher Speisekarten. Aus Penne all’arrabbiata wurde „Penne mit Wut“, aus Pizza Quattro Stagioni eine „Pizza vier Bahnhöfe“.

Wenn solche Preziosen nach und nach verschwinden, dann dürfte das auch an einer Firma aus Köln-Ehrenfeld liegen. DeepL, 2017 aus dem Online-Wörterbuch Linguee hervorgegangen, ist mit seinen KI-Übersetzungen erfolgreich geworden. Die Website gehört zu den hundert beliebtesten der Welt. Zu den inzwischen mehr als 100.000 Firmenkunden weltweit zählen Fujitsu, Elsevier, Nikkei, Beiersdorf und die Deutsche Bahn und etliche Regierungsorganisationen. Seit einer Finanzierungsrunde im Januar 2023 ist das Unternehmen DeepL SE mehr als eine Milliarde Dollar wert – auch wenn der Gründer Jaroslaw „Jarek“ Kutylowski über die Details des Deals schweigt. Welche Lehren kann man aus der Erfolgsgeschichte ziehen?

Sei so gut, dass die Menschen von dir erzählen

Manche erinnern sich vielleicht an den Moment, als sie um die Jahrtausendwende vor einer Suchmaschine wie Altavista oder Lycos saßen und unzufrieden auf deren Ergebnisse starrten. „Probier mal Google!“, sagte dann jemand. „Die sind irgendwie besser.“ Die meisten suchten danach nie wieder anders. Mit DeepL war es ähnlich. Die Übersetzungen dieses Anbieters waren – zumindest anfangs – qualitativ deutlich besser. Das lag unter anderem daran, dass DeepLs Übersetzungen auf hochwertigeren Trainingsdaten basierten. Aber auch daran, dass dank neuronaler Netze mehr Kontext in die Übersetzungen einfloss. Wo viele andere Programme Wörter einzeln übersetzten, analysierte DeepL ganze Abschnitte.

Konzentriere dich aufs Wesentliche

Von außen betrachtet, ist es schwer zu erklären, warum DeepL so gut funktioniert. Jarek Kutylowski hat seine Firma zu einer Blackbox gemacht. Fragen nach Unternehmenszahlen oder der groben Funktionsweise der Algorithmen, mit denen DeepL arbeitet, beantwortet er stoisch: „Dazu kann ich wirklich nichts sagen.“ Das fällt besonders auf, weil viele andere Start-ups mehr reden als leisten.

DeepLs KI-Übersetzungen: Porträtfoto von Gründer Jarek Kutylowski
Herr Kutylowski Portrait, Deepl, Studioportrait, blauer Hintergrund

DeepL flog lange unter dem Radar. Kutylowski stellte sich nicht auf die Bühnen von Tech-Konferenzen, um Keynotes zu halten. „So etwas zieht einfach extrem viel Zeit“, sagt er im Interview in den hellen, zweckmäßigen Räumlichkeiten in einem Businesspark in Köln-Ehrenfeld. Nebenan ist ein Autohändler, über die Straße eine Firma für Lochbleche. Viele andere Tech-Firmen wollen möglichst repräsentativ residieren, wollen beeindrucken. DeepL will vor allem was geschafft bekommen, so wirkt es.

Doch nun muss Kutylowski den Tarnmodus verlassen: „Anfangs hat es gereicht, dass wir durch unser Produkt überzeugt haben“, sagt er. „Doch jetzt müssen wir als Firma sichtbarer sein.“ Zum einen für die zurzeit gut 750 Beschäftigten, die immer mehr werden. Zum anderen verlangen Firmenkunden eine gewisse Seriosität und Transparenz und wollen nicht Hunderttausende Euro für Lizenzen an eine Hinterhofbude überweisen, die niemand kennt.

Achte auf dein Produkt …

Es ist nicht so, dass in Deutschland niemand etwas von Computern verstünde. Gerade zu künstlicher Intelligenz gibt es exzellente Forschung. „Das Problem ist aber, dass aus der deutschen Forschung heraus zu selten gegründet wird“, sagt Marcel Weiß, ein unabhängiger Analyst, der auf Neunetz.com seit bald 20 Jahren die Digitalwirtschaft beleuchtet. „Und bei den wenigen Ausgründungen wird oft zu wenig auf Nutzerfreundlichkeit und ein wirklich intuitives, reibungsarmes Produkt geachtet.“

Bei DeepL ist das anders: Die Website ist minimalistisch aufgebaut und dadurch sehr schnell. Es gibt Apps für die meisten Betriebssysteme und Integrationen für Microsoft Office, Google Workspace und viele Browser. „Alles funktioniert einfach, und die Übersetzungen erscheinen quasi sofort“, sagt Weiß. „Wie viel Gedanken sich die Firma über ihre Nutzerfreundlichkeit macht, merkt man an Kleinigkeiten, zum Beispiel dem Command-Doppel-C-Shortcut, der wahnsinnig praktisch ist.“ Gemeint ist: Wir alle haben gelernt, mit Command-C beziehungsweise Steuerung-C Text zu kopieren. Wer die DeepL-App installiert hat und noch ein zweites Mal das C drückt, erhält direkt die Übersetzung des vorher markierten Textes. Auch praktisch: Ein Auswahlfenster in der Pro-Version ermöglicht es, in Sprachen wie Deutsch oder Französisch zwischen formellem „Sie“ und informellem „Du“ zu wechseln.

…, aber vernachlässige nicht die Forschung

„Ich glaube an den Ansatz von Product-Led Growth“, sagt Kutylowski. „Also daran, statt Unsummen in Marketing zu stecken, lieber kontinuierlich das Produkt zu verbessern, damit es immer mehr Menschen immer öfter nutzen wollen.“ Trotzdem sei es wichtig, die Balance zu wahren und auch die Grundlagenforschung nicht zu vernachlässigen. „Wir setzen uns jedes Jahr Unternehmensziele und achten dabei streng darauf, dass diese sich gleichmäßig verteilen“, sagt der Unternehmer. „Das Produkt muss besser werden, klar. Aber wir setzen uns auch im Vertrieb neue Ziele. Und wir investieren bewusst weiter viel Geld, Zeit und Energie in die KI-Forschung, vor allem im Bereich neuronaler Netzwerke.“

Hab keine Angst

Als DeepL 2017 auf den Markt kam, gab es den Google Übersetzer schon seit mehr als zehn Jahren. Sich auf ein Feld zu begeben, auf dem bereits eines der wertvollsten Unternehmen der Welt tätig ist? 

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Foto: DeepL

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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