Künstliche Intelligenz wird unsere Zukunft verändern, heißt es – dabei ist sie längst da, etwa in Bildbearbeitungsprogrammen. Woran sich Retuschen erkennen lassen und wie man selbst das Beste aus seinen Bildern herausholt.
Ich bin kein guter Fotograf. Vermutlich fehlt mir die Geduld. Wenn ich etwas Schönes oder Interessantes sehe, nehme ich mir nie die Zeit, die für mehr als einen Schnappschuss nötig wäre. Die beste Perspektive finden? Warten, bis ein störendes Auto im Hintergrund endlich vorbeigefahren ist? Keine Zeit, keinen Bock, keine Ahnung. Soooo wichtig ist das jetzt auch nicht, denke ich. Später ärgere ich mich dann über die oft nur mittelmäßigen Ergebnisse.
Bislang habe ich meine Fotobearbeitung darauf beschränkt, am Bildrand etwas wegzuschneiden oder einen nicht zu auffälligen Filter über das Bild zu legen. Doch mit KI sind inzwischen komplett neue Dinge möglich. Mein erster Versuch: Störende Elemente aus einem Foto herausretuschieren. Ich probiere dafür die Webseite pixlr.com aus, die mehrere KI-Werkzeuge zur Bildbearbeitung anbietet und zumindest für ein paar Testläufe kostenlos ist. Doch die Ergebnisse sind mäßig: Dort, wo ich etwas entfernen lasse, sieht es hinterher so aus, als hätte ich auf meinen Zeigefinger gespuckt und auf einem Gemälde rumgewischt. Der störende Passant oder das Markenlogo sind zwar nicht mehr da. Aber man sieht eben genau, dass dort etwas weggemauschelt wurde.
Zum Glück herrscht an KI-Bildbearbeitungsprogrammen kein Mangel. Es ist vielleicht sogar eines der größten Genres in diesem neuen Dschungel an Webseiten und Apps. Die Werkzeuge von Magic Studio funktionieren schon besser. Das Verblüffende: Als ich zwei Menschen wegretuschiere, die vor einem Falten werfenden Vorhang stehen, antizipiert die KI, wie der Teil des Vorhangs aussieht, den die Personen vorher verdeckt haben.
Natürlich weiß die KI nicht, was ich hinter den Personen befand, als ich das Foto gemacht habe. Sie antizipiert nur die größte Wahrscheinlichkeit. Und die ist eben, dass der Vorhang, der drumherum zu sehen ist, dort weitergeht. Hätten die beiden eine Zimmertür verdeckt, wäre diese nicht zum Vorschein gekommen, als ich die beiden entfernte.
Perfekt sind die Ergebnisse immer noch nicht. Ein Datenforensiker würde sofort merken, dass da was gedreht wurde. Aber jemand, der in der S-Bahn auf einem kleinen Handybildschirm durch ein soziales Netzwerk wischt und dort auf meine geschönten Fotos stößt, höchstwahrscheinlich nicht. Wie so oft in der digitalen Welt ist das Ziel nicht unbedingt Perfektion, sondern ein Ergebnis, das schnell, günstig und gut genug ist.
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Text: Christoph Koch
Foto: Screenshot