Wenn am 5. November 2024 die Menschen in den USA ihr neues Staatsoberhaupt wählen, richtet sich das Augenmerk wieder einmal auf eine besondere Spezies: die Wahlmänner und Wahlfrauen. Es gibt 538 von ihnen, und sie wählen am Ende die Präsidentin oder den Präsidenten.
Alle Bundesstaaten haben eine festgelegte Zahl solcher „electors“, die geschlossen für die Person stimmen, die im jeweiligen Staat eine Stimmenmehrheit erzielen konnte. Liegt etwa Kandidat A in Kalifornien mit einer hauchdünnen Mehrheit vorn, erhält er die Stimmen aller 54 Wahlleute. Siegt wiederum Kandidatin B im kleinen Vermont, erhält sie drei Stimmen.
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Dieses System soll sicherstellen, dass die Bevölkerung aller Bundesstaaten gleichermaßen repräsentiert wird, führt aber mitunter zu kuriosen Wahlausgängen. So erhielten die beiden Demokraten Al Gore im Jahr 2000 und Hillary Clinton 2016 landesweit die meisten Stimmen, kamen aber auf weniger Wahlleute – und verloren die Wahl. Was wäre aber, wenn die US-Bürger ihr Staatsoberhaupt direkt wählten?
Als Erstes dürfte der Fokus auf die sogenannten Swing States verschwinden. Das sind Staaten wie Wisconsin, Michigan oder Pennsylvania, in denen Demokraten und Republikaner ungefähr gleichauf liegen. Dort ist es einfacher als in Hochburgen des Gegners auf eine Mehrheit und damit an die Stimmen der Wahlleute zu kommen. Im Präsidentschaftswahlkampf 2004 beispielsweise fanden drei Viertel der Auftritte der Kandidaten in fünf Swing States statt.
Bei einer Direktwahl würde der Wahlkampf also nicht mehr dort stattfinden, sondern an den Orten, wo die meisten Menschen wohnen, sagt Christoph Bieber, Professor für Politikwissenschaft, an der Universität Duisburg-Essen. „Und das sind die Großstädte und Ballungsräume an den Küsten.“
Eine Direktwahl wirkte sich wohl auch auf die Wahlbeteiligung aus. Derzeit haben Menschen in Staaten, die traditionell an bestimmte Parteien gehen, wenig Anreiz zu wählen: Warum sollte eine Republikanerin in Kalifornien ihre Stimme abgeben, wenn der Staat sowieso fest in der Hand der demokratischen Partei ist? Und auch ein kalifornischer Anhänger der Demokraten könnte vom Urnengang absehen, weil er das Gefühl hat, auf seine Stimme komme es nicht an. „Würden einfach alle Stimmen gezählt, hätte jede einzelne Stimme wieder Gewicht“, sagt Christoph Bieber.
Ein solches Wahlsystem könnte auch das Entstehen neuer Parteien fördern.
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Text: Christoph Koch
Foto: Phil Hearing auf Unsplash