Interview mit Amazons-Technikchef Werner Vogels

Written by on 19/09/2024 in brand eins with 0 Comments

Die Knappheit von Ressourcen kann bei der Softwareentwicklung ein Segen sein. Das sagt Amazons Technikchef Werner Vogels. Ein Gespräch über kreative Selbstbeschränkung.

brand eins: Herr Vogels, Sie sind ein Anhänger der Frugalität. Was verstehen Sie darunter?

Werner Vogels: Ich bin Niederländer, da sagen wir „Zuinigheid“. Es ist eine Art Sparsamkeit ohne Geiz, eine Genügsamkeit, ein bewusstes Sich-Einschränken, das zu kreativen Lösungen führt.

Und was hat das mit Software zu tun?

Bevor es die Cloud gab, hatten Firmen und Programmierinnen und Programmierer ständig mit Knappheit zu kämpfen. Speicherplatz war begrenzt, Rechenkapazität kostbar. Wer mehr wollte, musste viel Geld für Hardware ausgeben. Das animierte dazu, beim Entwickeln von Software kreativ vorzugehen und, so gut es ging, digitale Ressourcen einzusparen.

Vor nunmehr 18 Jahren gründeten wir unsere Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS). Gemeinsam mit anderen Cloud-Anbietern haben wir diese Einschränkungen obsolet gemacht. Plötzlich konnte man Speicher und Rechen-Power zu fairen Preisen mieten und musste nicht mehr Räume mit teuren Servern vollstellen.

Ressourcensparendes Programmieren wurde also unnötig.

Ja, und dadurch haben wir als Softwareentwicklerinnen und -entwickler viel verlernt. Aber auch viele Unternehmer haben die Kunst der Selbstbeschränkung vergessen. Das Pendel ist in die andere Richtung ausgeschlagen. Es war nun egal, ob man etwas auch mit weniger Gigabyte oder weniger Rechenoperationen hinbekommen könnte, denn zum einen machte die Cloud das alles zu niedrigen Preisen möglich, zum anderen hatten wir über zehn Jahre lang ein wirtschaftliches Klima, in dem die Zinsen niedrig waren und die Investitionsgelder flossen.

Die Zeiten haben sich geändert, man spart wieder mehr. Sie haben die sieben Gesetze des frugalen Architekten aufgestellt und online auf einer eigenen Website festgehalten. Was hat es mit diesen Gesetzen auf sich?

Ich wollte einfach die Regeln, nach denen Amazon als Unternehmen und ich persönlich schon so lange arbeiten, mal niederschreiben. Eines der Gesetze lautet beispielsweise: „Unbeaufsichtigte Systeme führen zu unbekannten Kosten.“ Damit will ich sagen, ein im Keller versteckter Stromzähler macht es schwieriger, verschwenderische Gewohnheiten zu ändern. Für Software-Architektur heißt das: Wenn Sie Dinge wie Auslastung, laufende Kosten und Fehlerquote mehr in den Vordergrund rücken, mag das vielleicht zusätzliche Ausgaben erfordern, aber nur so können Sie langfristig gut wirtschaften.

Ein anderes Gesetz lautet: „Unangefochtener Erfolg führt zu Annahmen.“ Was meinen Sie damit?

Dass sich schnell Selbstzufriedenheit einstellt, wenn Softwareteams lange Zeit erfolgreich zusammenarbeiten. Dann verlassen sie sich gern darauf, dass die Programmiersprachen und Tools, die sie nutzen, für immer und ewig die besten sind. Und dieses falsche Gefühl der Sicherheit hält sie davon ab, neue Optionen auszuprobieren, die effizienter, kostengünstiger, schneller oder besser skalierbar sein könnten.

Bei AWS bieten Sie inzwischen mehr als 240 verschiedene Cloud-Dienste an. Sie haben also einen sehr guten Überblick darüber, welche Techniken wirklich eingesetzt werden. Was wird gerade besonders stark nachgefragt?

Wir haben Millionen von Kundinnen und Kunden, es gibt also eine riesige Bandbreite. Aber am Ende geht es vor allem um Daten und Datenauswertung. So gut wie alle Unternehmen arbeiten heute datengetrieben. Junge Unternehmen haben den Vorteil, bei null anzufangen. Sie können ihre Infrastruktur entsprechend aufbauen. Bei etablierten Firmen hingegen liegen die Daten meistens in unzähligen verschiedenen Silos, und sie müssen erst einmal viel Zeit und Arbeit darauf verwenden, diese Daten sinnvoll zusammenzubringen.

Welche Ihrer Angebote werden wenig nachgefragt?

Sagen wir so: Seit dem Durchbruch von generativer KI vor mehr als einem Jahr muss ich mit unseren Kundinnen und Kunden nicht mehr über Blockchain sprechen (lacht). Es gibt diesen Typ CEO, der zu jedem neuen Trend besorgt fragt: „Was meinen Sie? Müssen wir auch was im Bereich XY machen?“ Früher war das Blockchain, heute ist es KI.

Was raten Sie den Geschäftsführern dieser Welt in Sachen KI?

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Interview: Christoph Koch
Foto: AWS

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About the Author

About the Author: Christoph Koch ist Journalist (brand eins, GEO, NEON, Wired, GQ, SZ- und ZEIT-Magazin, Süddeutsche, etc.), Autor ("Ich bin dann mal offline" & "Digitale Balance" & "Was, wäre wenn ...?") sowie Moderator und Vortragsredner. Auf Twitter als @christophkoch unterwegs, bei Mastodon @christophkoch@masto.ai .

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