Spatial Computing ist die Bezeichnung für virtuelle 3D-Welten. Aber ist das wirklich etwas Neues? Oder nur ein neues Etikett für das fast schon vergessene Metaverse? Ein Gespräch mit der US-Tech-Futuristin Cathy Hackl.
brand eins: Frau Hackl, können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Sie zum ersten Mal eine Virtual-Reality-Brille aufsetzten?
Cathy Hackl: Das weiß ich tatsächlich noch ganz genau. Ich komme aus dem Fernsehjournalismus und war mit einem Kamerateam bei einer Tech-Konferenz. Jemand fragte mich, ob ich dieses neue Headset ausprobieren wolle. Natürlich wollte ich! Ich setzte das Ding auf, und plötzlich war ich in einer Gefängniszelle. Das Projekt hieß „6×9“ und stammte von der britischen Zeitung »The Guardian«. Ich sah mich um. Sah eine schmale Pritsche, eine Stahltoilette und einen an der Wand verschraubten Hocker. Es dauerte keine Minute, und ich fühlte eine klaustrophobe Enge. Aber mir war klar, mit dieser Technik will ich den Rest meines Lebens verbringen.
Obwohl die Erfahrung so unangenehm war?
Ja, aber ich wusste, dass das die Zukunft des Storytellings ist, also meines damaligen Berufs. Und was noch wichtiger war: Ich merkte, wie mir diese Form der virtuellen Realität das Schicksal von Häftlingen viel näher brachte, als es jeder Artikel oder jeder Fernsehbeitrag je geschafft hatte. Ich fühlte mit den Menschen mit, die 23 Stunden am Tag in so einer winzigen Zelle verbringen müssen. Einfach weil ich es für einen kurzen Moment wirklich erleben konnte. Das ist fast zehn Jahre her, aber es war mein Aha-Moment mit Spatial Computing.
Lassen Sie uns kurz den Begriff klären. Ist Spatial Computing das Gleiche wie Virtual Reality oder Augmented Reality?
Für mich ist Spatial Computing der Nachfolger des mobilen Internets, wie wir es heute kennen und nutzen. Eine Weile war der Begriff Metaverse in Mode, weil Mark Zuckerberg ihn dauernd benutzt hat. Ich vermute, dass wir am Ende nicht Metaverse zu dieser neuen Welt sagen werden. Aber letztlich ist es egal, welches Etikett wir draufkleben. Denn am Ende ist es auch nicht eine einzelne Technik, sondern mehrere, die zusammen eine neue Welt erschaffen. Ich finde Spatial Computing daher einen guten Begriff, weil er viel abdeckt: Es beschreibt die Interaktion von Menschen und Computern in einem räumlichen Kontext. Virtual Reality, Augmented Reality und Mixed Reality (siehe Glossar) fallen alle darunter.
Geht es noch etwas konkreter?
Personal Computing hat den Wandel zu Heimcomputern bezeichnet und Mobile Computing den Wandel zu Smartphones. Spatial Computing meint den Weg von der zweidimensionalen Welt eines Bildschirms zur dreidimensionalen eines Raumes, in dem reale und virtuelle Welt verschmelzen.
Aber egal wie wir diese Technik nennen – sie wird seit mittlerweile rund einem Jahrzehnt angekündigt, scheint sich aber nicht durchzusetzen.
Manche Projekte wie Google Glass * oder die frühen Modelle der Virtual-Reality-Firma Magic Leap sind gefloppt, weil die Technik noch nicht so weit war. Aber das heißt nicht, dass der gesamte Ansatz zum Scheitern verurteilt ist. Live-Konzerte wie die der US-Rapperin Doja Cat im Januar in der Meta Horizon-Worlds-App oder die virtuellen Versionen des legendären Coachella-Festivals in der Spielwelt von Fortnite ziehen viele Menschen an. Und um sich die Auftritte der Künstlerinnen und Künstler anzuschauen, braucht man nicht zwingend eine 3D-Brille. Das ist vielleicht das große Missverständnis: So wie Mobile Computing nicht über Nacht vom Himmel gefallen ist, sondern Smartphones und Apps sich über Jahre entwickelt haben, so entsteht Spatial Computing schrittweise und in manchen Bereichen wie im Gaming schneller.
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Interview & Foto: Christoph Koch