Selbst die ehrgeizigsten und selbstsichersten Erfolgsmenschen bekennen sich inzwischen gerne zum „Impostor Phenomenon“ – also dem Gefühl, jederzeit der Hochstapelei überführt werden zu können. Woher kommt dieser Boom? Und was ist von ihm zu halten? Eine kleine Geschichte des Hochstaplerphänomens.
1978
Die Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes veröffentlichen den Aufsatz „The Impostor Phenomenon in High Achieving Women: Dynamics and Therapeutic Intervention“. Zuvor hatten die beiden rund fünf Jahre lang mit mehr als 150 Frauen über das Thema gesprochen.
Viele dieser Frauen misstrauten ihrem eigenen Erfolg und waren der Ansicht, nur durch Zufall oder einen Fehler (etwa von Zulassungskommissionen) in ihre Position gelangt zu sein. Etliche hatten Angst, als inkompetent entlarvt zu werden – als Hochstaplerin. „Trotz herausragender akademischer und beruflicher Leistungen glauben Frauen, die unter dem Hochstapler-Phänomen leiden, weiterhin, dass sie in Wirklichkeit nicht besonders intelligent sind und alle, die etwas anderes denken, hinters Licht führen“, so die Autorinnen.
Für dieses Gefühl machen Clance und Imes in dem Aufsatz vor allem familiäre Dynamiken verantwortlich. Häufig sei zum Beispiel ein Geschwisterkind der Gesprächspartnerinnen als „das kluge Kind“ in der Familie identifiziert worden. Aber auch selbst als besonders intelligent oder talentiert eingestuft zu werden könne die Gefühle auslösen.
1985
Pauline Clance veröffentlicht das Buch „The Impostor Phenomenon“.
1988
Clances Buch erscheint auf Deutsch: „Erfolgreiche Versager – das Hochstapler-Phänomen“. Später setzt sich in der Öffentlichkeit der Begriff Hochstapler-Syndrom durch.
2014
Impostor Syndrome wird immer häufiger gegoogelt. Weitere Spitzen bei den Suchanfragen zu dem Begriff gibt es 2020 und 2022. Der ursprüngliche Begriff Impostor Phenomenon hingegen bleibt auf Google eine Randerscheinung.
2017
Der Begriff Humblebrag wird in das englische Merriam-Webster Wörterbuch aufgenommen. Er bezeichnet eine scheinbar bescheidene (humble) oder selbstkritische Aussage, welche in Wirklichkeit die Aufmerksamkeit auf die Erfolge einer Person lenken soll (to brag = angeben).
„Ich dachte, das sei ein großer Zufall. Jeder würde es herausfinden, und dann würden sie mir den Oscar wieder wegnehmen. Sie würden zu mir nach Hause kommen und an die Tür klopfen: ‚Entschuldigen Sie, wir wollten den Preis eigentlich jemand anderem geben.“
Sind Aussagen wie diese von der Schauspielerin Jodie Foster Ausdruck des Hochstapler-Phänomens? Oder einfach nur der Versuch, einen Oscargewinn zu erwähnen und trotzdem bescheiden zu wirken?
2018
Das Buch „Und was, wenn alle merken, dass ich gar nichts kann?“ der Journalistin Sabine Magnet erscheint. Es ist eines der ersten deutschsprachigen Bücher, die sich dem Thema widmen.
2020
Ein neuer Schwung Ratgeber erscheint:
— „The Middle Finger Project: Trash Your Imposter Syndrome and Live the Unf*ckwithable Life You Deserve“
— „Own Your Greatness: Overcome Impostor Syndrome, Beat Self-Doubt, and Succeed in Life“
— „Yes! You Are Good Enough – End Impostor Syndrome, Overthinking and Perfectionism and Do What YOU Want“
— „Unlocking Your Authentic Self: Overcoming Impostor Syndrome, Enhancing Self-confidence, and Banishing Self-doubt“
2020
Das Impostor Syndrome Institute wird im US-Bundesstaat Massachusetts von Valerie Young (einer „globalen Thought Leaderin“) und Carolyn Herfurth („Business-Strategin“) gegründet. Für sechs Monatsraten à 479 Dollar kann man sich dort in einem 25- stündigen Online-Kurs zum Impostor Syndrome-Informed Coach™ ausbilden lassen.
2021
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Text: Christoph Koch
Foto: J A Uppendahl auf Unsplash